Symptome und Diagnostik
Symptome
Die Symptome können im Individualfall an unterschiedlichen Organen auftreten. Während die Säuglinge und Kleinkinder am häufigsten mit Symptomen im Magen-Darm-Trakt reagieren, zeigen sich im Erwachsenenalter die häufigsten Symptome an der Haut und im Mund- und Rachenbereich ("orales Allergie-Syndrom" = OAS). Am häufigsten tritt die Symptomatik des oralen Allergie-Syndroms binnen Minuten beim Essen von z.B. Nüssen, Mandeln und Äpfeln auf.
Manifestation der Beschwerden an verschiedenen Organsystemen
- Atmungssystem: Husten, Verschleimung, Atemnot, Asthma
- Magen-Darmtrakt: Schluckbeschwerden, Sodbrennen, Völlegefühl, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Krämpfe, Verstopfung, im Wechsel mit Durchfall, Afterjucken, Enddarmbeschwerden
- Haut: Nesselsucht (Urtikaria), Juckreiz, Rötung, Quaddelbildung
- Kreislaufsystem: Herzrasen, Hitzegefühl, lebensbedrohlicher Kreislaufzusammenbruch (anaphylaktischer Schock)
- Kopf, Hals, Gesicht: Schnupfen, Bindehaut-Nasennebenhöhlenentzündung, Kopfschmerzen
Grundsätzlich kann jedes Organsystem reagieren, wobei Gelenkbeteiligung oder zentralnervöse Erscheinungen am schwierigsten zuzuordnen sind.
Diagnostik
Diagnostik einer Nahrungsmittelallergie (-unverträglichkeit)
Die Diagnostik der Nahrungsmittelunverträglichkeit vollzieht sich in mehreren Schritten, da es keinen alleinigen beweisenden Labortest gibt. Die Diagnose ist manchmal sehr einfach, wenn die Symptome wiederholt zeitlich einem Nahrungsmittel zugeordnet werden können und Allergietests diese Annahme bestätigen. Häufig jedoch ist die Diagnose schwierig zu stellen und zeitintensiv, vor allem wenn Spätreaktionen keinen klaren Hinweis auf ein Nahrungsmittel geben oder bei Pseudoallergien, bei denen kein Labortest Aufschluss gibt. Deshalb ist ein auf den jeweiligen Patienten abgestimmtes stufenweises Vorgehen erforderlich.
Erster und wichtigster Mosaikstein der allergologischen Diagnostik ist die Anamnese - eine klare Anamnese macht eventuell weitere Schritte unnötig. Bei schwer zu interpretierenden Symptomen kann nach einer exakten Anamnese das weitere diagnostische Vorgehen geplant werden. Zusätzlich zur Anamnese durch einen allergologisch tätigen Arzt wird eine Ernährungsanamnese durch eine Ernährungsfachkraft erhoben, um verdächtige Lebensmittel in Zusammenhang mit den Symptomen zu bringen.
Hilfreich ist ein Symptom-Nahrungsmittel-Tagebuch, das von dem Patienten bzw. dessen Eltern geführt werden soll. Die Interpretation der Aufzeichnungen ist jedoch aufgrund nicht deklarierter "versteckter" Nahrungsmittelallergene schwierig, auch werden von den Patienten (Eltern) vermutete Nahrungsmittel besonders dokumentiert.
Mit der In-vitro-Diagnostik wird der Nachweis von spezifischen IgE im Serum (RAST) geführt. Bei unspezifischem Verdacht werden die für das jeweilige Alter häufigsten Allergene getestet. Ein erhöhtes spezifisches IgE zeigt eine Sensibilisierung auf ein Nahrungsmittel, erlaubt jedoch keine Rückschlüsse auf eine aktuelle Nahrungsmittelallergie. Genauso wie beim RAST dient ein positives Ergebnis im Hauttest (PRICK-Test = Stech-Test) nur als Hinweis auf die nachfolgende orale Provokation (mittels einer diagnostischen Diät), keinesfalls als Anlass einer verordneten länger andauernden Diät.
Diagnostische Kostformen
Auslassdiäten (Eliminationsdiäten)
Liegt ein Verdacht vor, dass ein oder wenige Lebensmittel bei einem Patienten eine Allergie auslösen, wird eine sog. spezifische Eliminationsdiät (zum Beispiel Meiden von Kuhmilch) durchgeführt. Säuglinge erhalten eine verträgliche Säuglingsmilch, z.B. extensiv hydrolysierte Formelnahrung (Nutramigen®, Pregestimil®, Alfare®) oder eine Nahrung aus Aminosäurengemisch (Neocate®, Pregomin AS®). Bei Besserung der Symptome schließt sich eine Nahrungsmittelprovokation mit dem verdächtigten Lebensmittel unter ärztlicher Aufsicht an. Bei unspezifischem Verdacht kann eine oligoallergene Basiskost durchgeführt werden, mit jenen Lebensmitteln, die in der entsprechenden Altersgruppe selten Allergien auslösen. Die Diät umfasst maximal 20 Lebensmittel, die nicht verdächtigt werden, bei dem Patienten Allergien auszulösen. Die Basiskost wird für jeden Patienten individuell zusammengestellt und mind. 10 Tage durchgeführt. Anschließend wird eine Nahrungsmittelprovokation oder eine Aufbaukost angeschlossen.
Aufbaukost
Bessern sich die Symptome nach der oligoallergenen Basisdiät, werden systematisch alle zwei bis drei Tage Lebensmittel zugeführt, bis die Kost wieder einer "normalen" Kost entspricht bzw. bis alle Lebensmittel identifiziert wurden, die Unverträglichkeiten auslösen.
Nahrungsmittelprovokationen
- Doppelblind-placebokontrollierte orale Nahrungsmittelprovokation (DBPCFC)
Der "goldene" Standard der Nahrungsmittelallergie-Diagnostik ist die doppelblind-placebokontrollierte orale Nahrungsmittelprovokation (DBPCFC= double-blind-placebo-controlled-food-challenge). Gerade bei zeitlich verzögerten Reaktionen ist schwer zu entscheiden, ob es einen Zusammenhang zwischen der Aufnahme eines Lebensmittels und den Symptomen gibt. Bei der DBPCFC ist eine objektivere Diagnose gewährleistet, da weder Patient noch Arzt wissen, was der Patient mit der Testmahlzeit zu sich genommen hat. Die Auflösung erfolgt nach 48 Stunden, nachdem der Arzt sich festgelegt hat, ob der Patient reagiert hat oder nicht.
Doppelblinde-placebokontrollierte Provokationsnahrung kann z.B. in extensiv hydrolysierten Säuglingsnahrungen verabreicht werden. Die zu provozierenden Nahrungsmittel können auch püriert unter verträgliche Breie (z.B. Kartoffelbrei) oder Pudding (Sojapudding) gerührt werden, bewährt hat sich ein milcheiweißfreier Brei auf der Basis von Johannisbrotkernmehl und Reis. Die Maskierung der Nahrungsmittel erfolgt bei Bedarf mit ß-Carotin, Rote Beete-, Johannisbeer- oder Karottensaft (wenn allergologisch möglich). Um den Geschmack anzugleichen wird ein Geschmackstoff (Orange) hinzugefügt, mit Zucker oder Birnendicksaft gesüßt. Wegen der befürchteten Frühreaktionen (Sofort-Typ-Reaktion) sollten orale Provokationen schrittweise (Steigerung der Menge alle 30 Minuten), beginnend z.B. mit 0,2 Milliliter durchgeführt werden. Die gesamte Provokationsdosis sollte ungefähr der durchschnittlichen täglichen Einnahme entsprechen (z.B. 1 Hühnerei, 150 Milliliter Milch).
- Provokationen bei pseudoallergischen Reaktionen (PAR)
Bei Verdacht auf PAR, die nicht auf immunologischen Mechanismen beruhen und deshalb auch keine Antikörper gebildet werden, gibt es keine Möglichkeit, mittels Haut- oder Bluttest Hinweise auf die Auslöser zu erhalten. Hier sind diagnostische Diäten unumgänglich. Allergologische Zentren arbeiten meist mit auf diesem Gebiet erfahrenen Ernährungsfachkräften zusammen, die den Patienten vor einer so einschneiden Diät individuell beraten und die Kost zusammenstellen.
Die pseudoallergenarme Kost (ohne Zusatzstoffe, Meidung von biogenen Aminen und natürlicherweise vorkommenden Salicylsäure) wird über einen Zeitraum von ca. 4 Wochen durchgeführt und anschließend unter stationären Bedingungen mit einer pseudoallergenreichen Kost über mindestens 2 Tage getestet. Bei dieser Provokation ist es wichtig, dass möglichst hohe Dosen der verdächtigten Lebensmittel (-zusatzstoffe) verabreicht werden, da die Reaktionen dosisabhängig sind. Reagiert ein Patient während der Provokation wird der Vorgang gestoppt. Die Testsubstanzen werden einzeln in Kapseln verpackt und verabreicht, um herauszufinden, welches der Inhaltsstoffe in der pseudoallergenreichen Kost die Reaktion verursacht hat. Bei Identifikation des Stoffes erfolgt wie bei allen Nahrungsmittelallergien eine Ernährungsberatung (in der Regel in der Klinik) zur Meidung, Ersatz und Management in der therapeutischen Diät.
- Provokationen bei Verdacht auf pollenassoziierte Nahrungsmittelallergie
Patienten mit einer Pollenallergie reagieren in einigen Fällen auch auf Nahrungsmittel, da die Allergene in verschiedenen Pflanzenfamilien ähnliche Strukturen haben. Häufig tritt als Symptom das orale Allergie-Syndrom auf, es finden sich aber auch Patienten mit Neurodermitis und Urtikaria (Nesselsucht). Die Allergene sind in den meisten Fällen hitzelabil, das heißt verarbeitete Produkte können zum Teil vertragen werden bzw. die Symptome treten nicht so stark auf. Bei einer Provokation meidet man über eine gewisse Zeit alle Produkte, die pollenassoziierte Nahrungsmittel enthalten können und provoziert im Anschluss mit den verdächtigten Produkten.