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Handlungsfeld Tarif und Vertrieb

Im Bereich der Organisation des ÖPNV im Saarland wurden im Rahmen des Aufstellungsprozesses Konzepte für eine zukunftsfähige Ausrichtung des ÖPNV entwickelt. Hierzu zählen u.a. der Abbau tariflicher Hürden sowie die Ausgestaltung einer verbesserten Marketingund Kommunikationsstrategie. Das sehr umfassende Thema Tarif wurde im Rahmen einer separaten Tarifstudie vertieft betrachtet (vgl. Probst & Consorten 2019).

Strategie zur Weiterentwicklung des saarVV-Tarifs

Das Gutachten des Planungsbüros Probst & Consorten, das eng mit der Aufstellung des VEP ÖPNV gekoppelt wurde, hat den bestehenden Tarif mit seinen Stärken und Schwächen eingehend
analysiert und auf dieser Basis eine umfassende Reform des Tarifsystems im Saarland entwickelt, die im Folgenden mit allen Beteiligten diskutiert und abgestimmt wurde und im Gesamtkonzept des VEP ÖPNV berücksichtigt ist. Hierzu wurde auch eine repräsentative Befragung der Bevölkerung des Saarlandes zur ÖPNV-Nutzung und speziell zum Tarifsystem durchgeführt (vgl. Anhang A11).
Nachfolgend werden die wichtigsten Maßnahmen erläutert und in den Steckbriefen in Bezug auf die unterschiedlichen Zielgruppen dargestellt.

Zielsetzungen der Tarifreform sind:

  • Bus- und Bahnfahren muss durch eine spürbare Attraktivierung der Tarifangebote einfacher und günstiger werden.
  • Mehr Fahrgäste und einen höheren Marktanteil für Busse und Bahnen im Saarland durch Tarifmaßnahmen, die kurzfristig Nutzungsimpulse schaffen
  • Maximale Wirkung am Fahrgastmarkt für jeden Euro Steuermittel, der zur Tarifattraktivierung ausgegeben wird.

Hieraus lassen sich die im Folgenden dargestellten Strategien für die Weiterentwicklung des saarVV-Tarifs ableiten.

Erhöhung der Stammkundenbindung

Das bisherige Ticketsortiment erzielt keine optimale Stammkundenbindung. Dies ist gemäß der Tarifanalyse darauf zurückzuführen, dass es eine Vielzahl von Zeitkarten mit unterschiedlichen Laufzeiten gibt. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, sowohl mit der saarVV-Card als auch der BahnCard Einzelfahrscheine zu rabattieren, sodass die Kombination aus Rabattkarte und Einzelfahrschein zunächst günstiger erscheint als ein Abonnement. Künftig soll das Ticketangebot dahingehend umstrukturiert werden, dass die Hemmschwelle sinkt, ein Abonnement abzuschließen. Dies kann durch eine gezielte Anpassung der Preisunterschiede und einen Leistungsmehrwert des Abonnements, z. B. einer Gültigkeit im gesamten Saarland, erreicht werden.

Attraktive Tarife für Freizeitnutzer

Bisher wird der ÖPNV im Saarland vorwiegend von Schülern und teilweise von Berufspendlern genutzt. Das Segment der Freizeitnutzer hingegen spielt derzeit nur sehr eine geringe Rolle. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass es für die gelegentliche Nutzung, auch mit mehreren Personen, nur vergleichsweise teure Einzel- oder Tagestickets gibt. Gruppenfahrscheine existieren erst für Gruppengrößen ab 5 Personen, wobei die häufigste Gruppengröße im Freizeitverkehr zwischen 2 und 4 Personen liegt. Daher wird angestrebt, künftig durch attraktivere Tarife für Freizeitnutzer die Potenziale dieser Zielgruppe wesentlich besser abzuschöpfen. Dies umfasst Tarife, die in der Höhe der Fahrpreise für Freizeitfahrten außerhalb der Hauptverkehrszeiten nicht abschrecken und gleichzeitig geeignete Angebote für unterschiedliche Gruppengrößen ermöglichen.

Auch die Einführung von zielgruppenspezifischen Tickets wie etwa einer Freizeit-Dauerkarte zum günstigen Preis oder über den Schulweg hinausgehende Freizeittickets für Schüler kann die Freizeitnutzung des ÖPNV erhöhen und gleichzeitig auch einen Beitrag dazu leisten, in diesem Nutzersegment einen höheren Stammkundenanteil zu erreichen. Auch die vorgesehene Einführung von digitalen Mehrfahrtenkarten erhöht die Bindung der Gelegenheitskunden durch Rabatte für mehrere Fahrten.

Erschließung neuer Zielgruppen durch spezifische Tarife

Mit dem JobTicket wurde zuletzt ein zielgruppenspezifisches Ticket eingeführt, mit dem sich zeigt, dass durch solche Angebote neue Stammkunden gewonnen werden können. Dieser erfolgreiche Ansatz soll auch auf weitere Zielgruppen wie Senioren, Schüler und Auszubildende übertragen werden, um auch in diesen Nutzersegmenten eine höhere Potenzialabschöpfung sowie in der Folge auch eine Stammkundenbindung zu erreichen.

Höhere Verständlichkeit der Fahrscheine und Fahrpreise

Das Tarifwabensystem ist besonders für Gelegenheitsnutzer nicht verständlich und erfordert teilweise hohe Ortskenntnisse zum Erwerb des korrekten Fahrscheins. Daher soll eine höhere Kundenbindung durch Verzicht auf die individuelle Auseinandersetzung mit dem Wabensystem erreicht werden. Flatrate-Tickets für Gelegenheits- bzw. Freizeitkunden und eine frühzeitige Deckelung der Preisstufen sind Wege, um die Verständlichkeit der Fahrpreise zu erhöhen.

Weiterhin gilt es, das Fahrscheinsortiment zu bereinigen: Tarife mit geringer Marktdurchdringung sollten eingestellt und durch ein übersichtliches Ticketsortiment ersetzt werden. Das Wabensystem soll lediglich noch im Hintergrund zur internen Berechnung von Preisen oder zur Einnahmeverrechnung dienen, nicht aber im Markt gegenüber den Kunden oder an Automaten in Erscheinung treten.

Sozialtarife und soziale Tarife zur Erhöhung der Teilhabe

Ein Sozialtarif existiert derzeit ausschließlich innerhalb der Landeshauptstadt Saarbrücken. Künftig soll dieser Ansatz auf alle Landkreise ausgedehnt werden, um durch ein preiswertes, saarlandweit gültiges Ticket auch finanziell schwachen Menschen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben durch einen Zugang zur Mobilität zu vereinfachen. Aber auch ein pauschalierter Fahrpreis für Kinder für längere Strecken, Rabatte für Geschwisterkinder und rabattierte Tickets für Senioren sollen die gesamte Tarifstruktur des ÖPNV sozialverträglicher ausrichten als bisher.

Maßnahmensteckbriefe

Maßnahmensteckbriefe Handlungsfeld Tarif und Vertrieb (PDF, 290KB, Datei ist nicht barrierefrei)