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Handlungsfeld Vernetzte Mobilität

Vernetzte Mobilität ist ein weiteres Merkmal eines modernen ÖPNV-Angebots und nutzt Bahn- und Buslinien als Grundlage, um eine verkehrsmittelübergreifende Alternative zur ausschließlichen Nutzung des eigenen Autos zu entwickeln. Vernetzte Mobilität ist damit gleichzeitig ein Beitrag zum Handlungsfeld Klima und Umwelt (s. Kap. 13) sowie zur Gewinnung neuer Fahrgäste. Vernetzte Mobilität nutzt Digitalisierung, um unterschiedliche Mobilitätsangebote über digitale Plattformen miteinander zu vernetzen.

Vernetzte Mobilitätsebenen

Vernetzte Mobilität schafft mehrere Mobilitätsebenen, die sich nicht auf die Grenzen des Saarlandes beschränken.

Die erste Ebene bildet der Nahverkehr-SPNV (Regionalexpress, Regionalbahn, S-Bahn Saarland und Saarbahn). Die Schwerpunkte liegen somit bei überregionalen, landesübergreifenden Verbindungen sowie bei regionalen Verbindungen innerhalb des Saarlandes, die die Ober- und Mittelzentren miteinander verbinden. Die Bahnhöfe und Haltepunkte sind Anknüpfungspunkte für die weiteren Mobilitätsebenen.

Die zweite Ebene bilden die regionalen, auch landesübergreifenden Buslinien. Der Schwerpunkt liegt auf der Schließung von Lücken im Nahverkehrsnetz auf der Schiene. Alle regionalen Buslinien sind über Bahnhöfe bzw. Haltepunkte mit dem Nahverkehr auf der Schiene (erste Ebene) vernetzt.

Die dritte Ebene bilden die lokalen Buslinien, die dichtere Siedlungsquartiere, Arbeitsplatzschwerpunkte usw. erschließen. Zur dritten Ebene zählen somit vor allem die lokalen Busverkehre, die bei Bedarf aber auch über Stadtgrenzen hinausführen. Die lokalen Buslinien sind ebenfalls mit dem Nahverkehr auf der Schiene (erste Ebene) vernetzt, wodurch gleichzeitig eine Vernetzung mit den regionalen Buslinien (zweite Ebene) entsteht. Dort, wo bei lokalen Busangeboten keine Verknüpfung mit dem Schienenverkehr möglich ist, erfolgt eine Vernetzung mit den regionalen Buslinien (zweite Ebene) über eine zentrale Bushaltestelle (Busbahnhof/ZOB).

Die vierte Ebene vereint alle weiteren Mobilitätsangebote, die der Sicherung der Mobilität als Teil der Daseinsvorsorge dienen. Entsprechend wichtig ist hier die Erschließung auch von Gebieten mit einer geringen Einwohnerdichte. In der vierten Ebene kommen somit auch Alternativen zum klassischen Busverkehr zum Einsatz. Dies können bedarfsorientierte Linien (Fahrten nach Fahrplan, aber nur nach Anmeldung), On-Demand-Verkehre (Fahrten ohne Fahrplan und nur nach Anmeldung) und ehrenamtliches Engagement (z. B. Bürgerbus) sein. Da die vierte Ebene die Erschließung auch in Gebieten außerhalb der Bedienung durch den Schienenverkehr und klassischen Busverkehr sichert, ist entsprechend eine Verknüpfung mit diesen Verkehrsangeboten von Wichtigkeit.

Die intermodale Verknüpfung schafft weitere Synergien mit dem Auto (über Park-and-Ride), mit dem Fahrrad (über Bike-and-Ride), mit (öffentlichen) Verleihangeboten (Car- und Bike-Sharing) so wie mit der Infrastruktur (z. B. Elektromobilität). Die Vernetzung hat dazu ihren Schwerpunkt mit der ersten und zweiten Ebene. Besonders für die Vernetzung mit dem (eigenen) Auto ist das Ziel, eine möglichst kurze Fahrt mit dem Auto mit einer möglichst langen Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu kombinieren.

Durch eine Intermodalität werden Bahnhöfe zu zentralen Schnittstellen verschiedener Mobilitätsangebote. Unter dem Begriff der Mobilitätsstationen werden dabei Standorte subsumiert, die nicht nur eine Verknüpfung der Bus- und Bahnangebote mit dem Fahrrad- oder Autoverkehr leisten, sondern an denen auch weitere Mobilitätsdienstleistungen zur Verfügung stehen. Aber auch über die Mobilität hinausgehende Services sind Bestandteil größerer Mobilitätsstationen, mit denen Erledigungen gezielt an einer Wegekette zurückgelegt werden können und somit ein Beitrag geleistet wird, eine höhere Konkurrenzfähigkeit des ÖPNV auch für Wege zu erreichen, die mehrere Aktivitäten bündeln. Neben den Ausstattungsaspekten sind Mobilitätsstationen auch durch eine hochwertige Gestaltung geprägt.

Mobilitätsstationen werden modular aufgebaut, so dass sich konkrete Bedarfe vor Ort berücksichtigt werden können:

  • Modul öffentliche Mobilitätsangebote
    Fernverkehr, Nahverkehr (beides jeweils für Schiene/Bus)
  • Modul Fußverkehr (Sicherstellung barrierefreier Fußwege zwischen den Modulen)
  • Modul Fahrrad (vgl. Maßnahme VM 2, VM 3)
  • Modul Auto (vgl. Maßnahme VM 1)
  • Modul Sharing (Erweiterungsmöglichkeiten über Car-Sharing, Bike-Sharing, Roller-Sharing)
  • Modul Infrastruktur (Erweiterungsmöglichkeiten über Aufenthaltsbereich, Toiletten, Echtzeitinformationen, Schließfächer, Automatenversorgung, Packstation, Ladeinfrastruktur)

Daseinsversorge durch vernetzte Mobilität

Insbesondere in ländlichen Räumen und kleinen Städten existieren häufig dünn besiedelte Siedlungsbereiche ohne eigene Versorgungseinrichtungen. Geschäfte und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs sind in diesen Bereichen besonders für ältere Menschen sowie für Menschen mit Behinderung nicht selbstständig ohne Auto erreichbar. Durch vernetzte Mobilitätsangebote, vor allem in Kombination mit klassischen ÖPNV-Angeboten, können dünn besiedelte Räume erschlossen werden und Menschen mit Mobilitätseinschränkung die selbstständige Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen.

Vernetzte Mobilitätsangebote haben im Vergleich mit klassischen ÖPNV-Angeboten den Vorteil, dünn besiedelte Siedlungsbereiche bedarfsgerechter zu bedienen. So entfällt etwa die bei herkömmlichen ÖPNV-Angeboten erforderliche stetige Abwägung, wie viele Fahrgäste durch zusätzliche Feinerschließungen von Reisezeitverlängerungen betroffen sind. Zudem können alternative Mobilitätsangebote durch engmaschigere Erschließungen die Fußwegentfernungen verkürzen. Gleichzeitig bieten kleinere Fahrzeuge und bedarfsgesteuerte Verkehren auch wirtschaftliche Vorteile gegenüber dem klassischen ÖPNV.

Tab. 50 zeigt die grundsätzlich geeigneten Angebote als Feinerschließung für dünn besiedelte Räume.

Tab. 50: Angebotsformen für Feinschließungen in dünn besiedelten Räumen

AngebotsformCharakteristika
Bedarfsverkehr
im ÖPNV
  • Verkehr nur nach Voranmeldung
  • vor allem zu Zeiten (Abendstunden, Wochenende) oder auf Strecken (ländliche Gebiete, gering besiedelte Gebiete) mit geringer Fahrgastnachfrage
  • in vielen Varianten etabliert (z. B. Anruf-Sammeltaxi [AST], Anruf-Linientaxi [ALT], Rufbus)
On-Demand-
System
  • kann faktisch nahezu eine Haustür-zu-Haustür-Bedienung realisieren
  • verkehrt nur, wenn und wo tatsächliche Nachfrage besteht
  • mit dem Bürgerbus-Modell kombinierbar
Bürgerbus
  • günstige Betriebskosten durch ehrenamtliches Fahrpersonal
  • feingliedrige Verteilung von Haltestellen führt zu kurzen Zuwegungen
  • zugelassenes Verkehrsunternehmen mit Betriebsleiter als Partner für regelmäßigen Verkehr notwendig
Mitfahrbörsen
  • niedrigschwelliges Mobilitätsangebot zur Moderation privater Mitfahrwünsche
  • basiert auf Freiwilligkeit der Bürgerschaft
  • kann mit Leistungsversprechen, z. B. mit ehrenamtlichen Fahrern und Carsharing-Fahrzeug, kombiniert werden
Mitfahrbänke
  • durch das Sitzen auf der Mitfahrbank wird ein Mitfahrwunsch signalisiert
  • basiert auf Freiwilligkeit der Bürgerschaft, spontan Menschen auf ihren Autofahrten mitzunehmen
  • geringe soziale Kontrolle

Bei allen Angeboten liegt die Umsetzungskompetenz bei Kommunen in Kooperation mit bürgerschaftlicgetragenen Vereinen. Dennoch sind die Einstiegsbarrieren oft hoch, da zunächst Investitionen geleistet und organisatorische Prozesse aufgebaut werden müssen. Hierbei sollen die Akteure durch das Land unterstützt werden.

Potenzialanalyse für den Ausbau von Park-and-Ride

Die intermodale Verknüpfung des Pkw-Verkehrs mit dem SPNV ermöglicht komfortable Reiseketten mit attraktiven Fahrzeiten. Daher wurde im VEP ÖPNV der Bedarf für Park-and- Ride-Stellplätze an Stationen des SPNV anhand der Attraktivität des Fahrtenangebots an den Stationen sowie der Erreichbarkeit der Stationen von Einwohnern abgeschätzt. Jedes 100-m²-Einwohnerraster im Saarland wurde anhand der Attraktivität der innerhalb von 15 Minuten erreichbaren Stationen mit der höchsten Attraktivität und kürzesten Distanz zugeordnet. Ebenso bleiben Einwohner in einer Distanz von unter 1.000 m zu einer Station mit hinreichendem Verkehrsangebot als Potenzial für Park-and-Ride unberücksichtigt. Das Park-and-Ride-Potenzial wird durch die Anzahl von Einwohnern beschrieben, die unter Berücksichtigung der oben dargestellten Kriterien potenziell einen Park-and-Ride-Stellplatz nutzen könnten. Kommen für eine 100-m²-Rasterzelle mehrere Stationen in Frage, erfolgt die Zuordnung entsprechend der entfernungsmäßigen Ausrichtung nach relevanten Pendlerbeziehungen. Dies basiert auf der Grundannahme, dass Nutzende von Park-and-Ride-Angeboten sich eher auf ihr Ziel zubewegen als zu einem näher erreichbaren Bahnhof zu fahren, für den jedoch erst in die entgegengesetzte Richtung gefahren werden muss.

Für die Abschätzung des Park-and-Ride-Potenzials wurden in Vergleichssituationen erzielbare Modal-Split-Anteile herangezogen, die sich je nach Abfahrtshäufigkeit an den Stationen unterscheiden. Unter diesen Prämissen wurde ermittelt, wie viele Nutzende potenziell das Park-and-Ride-Angebot an den jeweiligen Stationen nutzen würden. Der Saarbrücker Hauptbahnhof ist dabei unberücksichtigt geblieben, da es beim Ausbau von Park-and-Ride insbesondere auch darum geht, Autoverkehre aus der Saarbrücker Innenstadt und auf diese zulaufenden Straßen auf den ÖPNV zu verlagern.

Unberücksichtigt bleiben in der Potenzialermittlung tarifliche Barrieren oder problematische Verkehrssituationen wie regelmäßige Staus, die dazu führen können, dass eine andere als die verkehrlich sinnvollste Station mit dem Auto angesteuert wird oder Park-and-Ride aus Kostengründen in einigen Teilräumen weniger stark angewendet wird. Diese Barrieren sollten künftig beseitigt werden.

Abb. 122 zeigt die Ergebnisse der Potenzialabschätzung für Stationen mit einem Potenzial für mindestens 10 Park-and-Ride-Stellplätze. Hier zeigt sich, dass insbesondere die Bahnhöfe und Haltepunkte entlang der Bahnstrecke zwischen Mettlach und Homburg große Potenziale für die Verknüpfung zwischen dem SPNV und dem eigenen Auto aufweisen: Hier werden dichter besiedelte Siedlungsbereiche, die keinen direkten Anschluss zum Schienenverkehr haben, durch die Verknüpfung mit dem Autoverkehr an ein hochfrequentes Verkehrsangebot im SPNV angeschlossen. Aber auch die Regionalexpress-Stationen an der Nahestrecke erschließen große Park-and-Ride-Potenziale: So weisen die Bahnhöfe Türkismühle, St. Wendel und Neunkirchen große Einzugsbereiche im nördlichen und östlichen Saarland auf.

Die hier ermittelten Potenziale müssen in einem weiteren Schritt mit den derzeit verfügbaren Parkmöglichkeiten an den Verkehrsstationen verglichen werden (vgl. Anhang A13) und daraus konkrete Ausbaumaßnahmen abgeleitet werden.

Durch Umsetzung von Maßnahmen zum Erreichen des Zielnetzes im SPNV (s. Kap. 7) vergrößern sich auch die Potenziale für Park-and-Ride. So wird bei vollständiger Umsetzung des Vorrangszenarios (s. Kap. 7) eine nahezu flächendeckende Erreichbarkeit einer SPNVStation innerhalb einer Autofahrzeit von 15 Minuten (bei normalen Verkehrsverhältnissen) erreicht. Hierdurch werden rund 1.500 zusätzliche Einwohner als Zielgruppe für den ÖPNV erreicht, die mit dem Auto zu den neuen Verkehrsstationen fahren können.

Potenzialanalyse für den Ausbau von Bike-and-Ride

Mit einem ähnlichen Vorgehen wie bei der Ermittlung der Ausbaupotenziale für Park-and- Ride wurden auch die Ausbaupotenziale für die Verknüpfung zwischen dem Radverkehr und dem ÖPNV ermittelt. Unter Berücksichtigung der Entfernung zur nächsten SPNV-Station und der dort angebotenen Qualität in Form der Fahrtenhäufigkeit wird ein zu erreichender Modal Split für den ÖPNV angesetzt und ein Bedarf für Fahrradabstellplätze abgeleitet. Der Potenzialermittlung von Bike-and-Ride-Angeboten liegt wie der Ermittlung von Park-and-Ride-Potenzialen ein einwohnerbezogener Ansatz zugrunde. Das ermittelte Bike-and-Ride-Potenzial stellt somit die Anzahl der Einwohner dar, die potenziell eine Bike-and-Ride-Anlage an den Bahnhöfen nutzen würden. Dabei erfolgt eine Abgrenzung zu den als Park-and-Ride-Potenzial zugeordneten Einwohnern über die Entfernung zum Bahnhof und damit daraus resultierenden Modal Split für den Weg zum Bahnhof. Berücksichtigt sind erst Einwohnerpotenziale ab einer Entfernung von 1 km, da bei darunterliegenden Entfernungen eine fußläufige Erreichbarkeit des Bahnhofs gegeben ist. Die Ergebnisse dieser Berechnungen sind in Abb. 123 dargestellt.

Im Vergleich zu Park-and-Ride-Potenzialen verteilen sich die Potenziale für eine Verknüpfung zwischen SPNV und Fahrradverkehr kleinräumlicher. Insbesondere kleinere Stationen mit dichter Besiedlung im Nahbereich, etwa auf der Saarbahn-Strecke zwischen Lebach und Saarbrücken, weisen hier neben der Strecke Homburg – Saarbrücken – Merzig – Mettlach als Hauptachse des Saarlandes weitere Potenziale auf.

Ein Vergleich zwischen den hier (theoretisch) ermittelten Potenzialen und der derzeitigen Verfügbarkeit von Radabstellanlangen (vgl. Anhang A12) zeigen, dass es an vielen Stationen einen erheblichen Ausbaubedarf begibt. Andererseits zeigt der Vergleich der derzeitigen Verfügbarkeit mit der Nutzung auch, dass viele Anlagen nur einen geringen Auslastungsgrad aufweisen. Daher müssen mit einem Angebotsaufwuchs auch die Betrachtung der Qualität der Anlagen und Anstrengungen zur besseren Kommunikation und Vermarktung von Parkand-Ride einhergehen.

Mit der Reaktivierung von Bahnstrecken können rund 350 Fahrgäste durch attraktive Verknüpfungen zwischen Fahrradverkehr und den neuen Angeboten im SPNV zusätzlich erreicht werden. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen neu eingerichtete Bike-and-Ride-Anlagen ein hohes Qualitätsniveau aufweisen. Die Anlagen müssen z. B. das witterungsgeschützte sowie diebstahl- und vandalismusgeschützte Abstellen von Fahrrädern ermöglichen.

Maßnahmensteckbriefe

Maßnahmensteckbriefe Handlungsfeld Vernetzte Mobilität (PDF, 317KB, Datei ist nicht barrierefrei)