Thema: Kommunales
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FAQ’s zu § 51a KSVG

betr. die Regelung zur Erhaltung der Entscheidungsfähigkeit in außerordentlichen Notlagen

Infolge der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2--severe acute respiratory syndrome coronavirus 2 im Jahr 2020 und der teils sehr hohen Infektionszahlen stellt sich in den saarländischen Gemeinden und Gemeindeverbänden die Frage nach Alternativen zu Präsenzsitzungen, die nur noch unter Beachtung strenger Hygiene- und Abstandsregelungen in entsprechend großen Räumen durchgeführt werden können, Anforderungen, die in der Praxis teils nur schwer zu realisieren sind. Aus diesem Grund hat sich der Gesetzgeber zu einer Ergänzung des Kommunalselbstverwaltungsgesetzes um die Regelung des § 51a KSVG entschlossen, der hier Alternativen eröffnet und damit auch in Zeiten einer Pandemie mit hoher Gefährdung der Bevölkerung im allgemeinen und der Ratsmitglieder in Sitzungen im besonderen sichere Möglichkeiten der Entscheidungsfindung bietet. Die Regelung des § 51a KSVG ist durch Gesetz vom 24. Juni 2020 (Amtsbl. I S. 776) am 28. August 2020 in Kraft getreten.

§ 51a KSVG

Erhaltung kommunaler Entscheidungsfähigkeit in außerordentlichen Notlagen

(1) Gemeinderatssitzungen können als Videokonferenzen durchgeführt werden, wenn

  1. aufgrund einer außerordentlichen Notlage, insbesondere einer epidemischen Lage, einer Naturkatastrophe oder eines besonders schweren Unglücksfalls die Durchführung einer Gemeinderatssitzung nach § 38 ganz erheblich erschwert ist und
  2. zwei Drittel der gesetzlichen Zahl der Mitglieder des Gemeinderats dem zustimmen.

(2) Der Beschluss des Gemeinderats zur Durchführung von Videokonferenzen nach Absatz 1 Nummer 2 kann abweichend von § 38 auch im schriftlichen oder elektronischen Verfahren erfolgen. Der Gemeinderat kann einen entsprechenden Grundsatzbeschluss für die gesamte Dauer seiner Amtszeit fassen.

(3) Die technischen Voraussetzungen nach den Absätzen 1 und 2 sind bei jedem Ratsmitglied zu gewährleisten.

(4) Absatz 1 gilt nicht für Wahlen und geheime Abstimmungen.

(5) Ist zu erwarten, dass die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 über einen längeren, mehrere Monate umfassenden Zeitraum vorliegen werden, oder sind die technischen Voraussetzungen nach Absatz 1 in der Gemeinde nicht zu gewährleisten, kann der Gemeinderat mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder für die Dauer der außerordentlichen Notlage die Beschlussfassung auf einen hierfür gebildeten Notausschuss übertragen. Hat die Gemeinde keinen Notausschuss gebildet, kann sie die Beschlussfassung auf den Finanzausschuss übertragen, der dann als Notausschuss tagt. Für die jeweilige Übertragung gilt Absatz 2 Satz 1 entsprechend. Die Entscheidungen des Ausschusses sind dem Gemeinderat in seiner nächsten ordentlichen Sitzung zur Genehmigung vorzulegen; eine Aufhebung ist nur möglich, wenn durch die Ausführung der Entscheidung noch keine Rechte Dritter begründet wurden. Für den Notausschuss gilt § 48 entsprechend.

(6) Bei Durchführung einer Sitzung als Videokonferenz erfolgt die Information der Öffentlichkeit durch zeitgleiche Übertragung in Ton und Bild in einen öffentlich zugänglichen Raum, der in der Bekanntmachung der Sitzung benannt wird. Über Beschlüsse nach Absatz 2 ist die Öffentlichkeit unverzüglich zu informieren; dies gilt entsprechend, wenn die Öffentlichkeit bei einer Ausschusssitzung nicht hergestellt werden kann. § 40 bleibt unberührt.

 

Einzelfragen zu Auslegung und Anwendung des § 51a KSVG

Anwendungsbereich

Die Regelung richtet sich unmittelbar an Gemeinde- und Stadträte (§ 29 Absatz 2).

Durch die Neuregelung in § 74 Nummer 14a KSVG wird die Vorschrift auch für Ortsräte für anwendbar erklärt. Ausgenommen ist dabei die Regelung in § 51a Absatz 5 KSVG, die den Notausschuss betrifft. Sie gilt für Ortsräte nicht, da diese keine Ausschüsse bilden können.

Weiterhin wird die Vorschrift durch die Ergänzung des § 171 KSVG um eine neue Nummer 15 auch für Kreistage für anwendbar erklärt. Hier gilt die Besonderheit, dass die Aufgaben des Finanzausschusses vom Kreisausschuss wahrgenommen werden.

Auch für die Regionalversammlung ist die Vorschrift anwendbar, § 209 KSVG wurde entsprechend um folgenden Satz ergänzt: Die Aufgaben des Kreisausschusses nach § 171 Nummer 15 KSVG in Verbindung mit § 51a Absatz 5 KSVG werden vom Regionalverbandsausschuss wahrgenommen.

Schließlich kann auch die Verbandsversammlung eines Zweckverbands nach § 3 Absatz 2 KGG nach Maßgabe des § 51a KSVG in Videokonferenzen tagen, sofern die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen. Dies wird allerdings selten erforderlich sein, da die Zweckverbandsversammlungen anders als die Gemeinderäte in der Regel in wesentlich größeren zeitlichen Abständen zusammentreten.

Feststellung des Vorliegens einer außerordentlichen Notlage gem. § 51a Absatz 1 KSVG

Die Feststellung, dass aktuell – im Zeitpunkt der Einberufung einer Sitzung - eine außerordentliche Notlage i.S.d. § 51a Absatz 1 KSVG vorliegt, gehört zum Aufgabenbereich der Bürgermeisterin oder des Bürgermeisters, die den Vorsitz in den Sitzungen des Gemeinderats haben.

Die Durchführung von Videokonferenzen setzt das Vorliegen einer außerordentlichen Notlage voraus, durch welche die Durchführung einer Sitzung als Präsenzsitzung ganz erheblich erschwert ist. Dies ist in der aktuellen Pandemie bspw. dann der Fall, wenn die Einhaltung der erforderlichen Hygiene- und Abstandsregeln im Rahmen einer Präsenzsitzung nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten gewährleistet werden kann. Allgemein gültige Kriterien lassen sich nicht aufstellen. Es bedarf immer einer Prüfung im Einzelfall unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände. Im Fall einer Epidemie bzw. Pandemie bieten Maßnahmen nach den Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes des Bundes (IFSG) und des Saarländischen COVID-19 Disease 2019-Maßnahmengesetzes, ihr Umfang und die mit ihnen verbundene Eingriffsintensität gute Anhaltspunkte für die Prüfung (vgl. die Verordnungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie im Saarland, https://corona.saarland.de).

Nach den Erfahrungen in der Corona-Pandemie kann es aber auch zu sog. lokalen Hotspots in einzelnen Gemeinden oder Gemeindeverbänden kommen. Dies bedeutet, dass aus dem Fehlen landesweiter Maßnahmen ebenso wie aus einer Lockerung solcher Maßnahmen noch nicht geschlossen werden kann, dass in einer Gemeinde oder einem Gemeindeverband keine Notlage i.S.d. § 51a KSVG vorliegt.

Der Gemeinderat ist dabei an die jeweilige Entscheidung der Bürgermeisterin oder des Bürgermeisters über die Feststellung einer außerordentlichen Notlage gebunden.

Hat der Gemeinderat selbst ein Initiativrecht bzgl. Feststellung der Notlage bzw. des Einberufens einer Videokonferenz?

Dem Gemeinderat obliegt die grundsätzliche Beschlussfassung bzgl. der Durchführung von Videokonferenzen, nachdem die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister die erforderliche Feststellung nach § 51a Absatz 1 Nummer 1 KSVG getroffen hat, so dass sie oder er an diese vorrangige Entscheidung im konkreten Fall gebunden ist. Sie oder er kann jedoch nach Maßgabe des § 41 KSVG Themen zur Tagesordnung anmelden, ggf. auch eine Erörterung anstoßen, ob es sich aktuell um eine außerordentliche Notlage im Sinne des Gesetzes handelt. Die Feststellung selbst bleibt jedoch der Bürgermeisterin bzw. dem Bürgermeister überlassen; erst nach dieser Feststellung kann der Gemeinderat einen entsprechenden Beschluss fassen, etwa für die Dauer dieser Notlage in Videokonferenzen zu tagen.

Anders verhält es sich, wenn der Gemeinderat einen Grundsatzbeschluss als Vorratsbeschluss treffen will. Diesen kann er jederzeit unabhängig vom Bestehen einer Notlage treffen, bspw. am Beginn der Amtszeit für die gesamte Amtszeit. Da der Gesetzgeber jedoch die eigentliche Entscheidung über die Durchführung der Videokonferenz in die Zuständigkeit des Gemeinderats gegeben hat, kann der Rat auch bei Feststellung der Voraussetzungen nach § 51a Absatz 1 Nummer 1 KSVG durch die Bürgermeisterin oder den Bürgermeister entscheiden, dass die nächste Sitzung bzw. künftige Sitzungen als Präsenzsitzung durchzuführen sind und damit auch von einer früheren Entscheidung abweichen; insofern bleibt der Rat Herr des Verfahrens. Für diese Entscheidung genügt anders als nach § 51a Absatz 1 Nummer 2 KSVG die einfache Mehrheit (§ 45 Absatz 1 KSVG): Eine abweichende Regelung hat der Gesetzgeber hier nicht vorgesehen, da die Schutzbedürftigkeit der Ratsmitglieder nicht vergleichbar mit der bei einer Entscheidung über die Durchführung von Videokonferenzen ist, denn diese Entscheidung beinhaltet nur die Rückkehr zum regulären Verfahren der Präsenzsitzungen des Rats (§ 38 KSVG).

Rechtliche Rahmenbedingungen für die Durchführung von Videokonferenzen, insbes. Abstimmungsverhalten, Datenschutz etc.

Die Durchführung von Videokonferenzen nach § 51a Absatz 1 KSVG ist möglich, wenn

  • eine außerordentliche Notlage vorliegt, durch welche die Durchführung einer Präsenzsitzung nach § 38 KSVG ganz erheblich erschwert ist,
  • die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister diese Notlage feststellt,
  • zwei Drittel der gesetzlichen Mitgliederzahl des jeweiligen Gremiums (Gemeinde- bzw. Stadtrat, Kreistag, Regionalversammlung) der Durchführung von Videokonferenzen zustimmen und
  • die technischen Voraussetzungen für die Durchführung von Videokonferenzen gewährleistet werden.

In der aktuellen Pandemie bspw. können Präsenzsitzungen der Räte dadurch ganz erheblich erschwert sein, dass die Einhaltung der erforderlichen Hygiene- und Abstandsregeln im Rahmen einer Präsenzsitzung nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten sicherzustellen ist.

Zu den erforderlichen technischen Voraussetzungen für alle Mitglieder des Rats gehört die Ausstattung mit der erforderlichen Hard- und Software; die Grundlagen hierfür sind in einigen Kommunen bereits mit Einführung von Ratsinformationssystemen gelegt worden. Dazu gehört aber auch die Schulung der Mitglieder, um die Technik in der Praxis anwenden zu können, und soweit dies erforderlich ist auch Hilfestellungen im Einzelfall, wenn Ratsmitglieder bspw. (gerade bei der ersten Sitzung als Videokonferenz) Anwendungsprobleme haben. Hier kann in der Praxis etwa ein Probelauf vor der eigentlichen Sitzung mit der Möglichkeit jedes Ratsmitglieds, eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter im Rathaus telefonisch um Hilfe zu bitten, hilfreich sein.

Hinsichtlich der Abstimmung in Videokonferenzen ist die Besonderheit des § 51a Absatz 4 KSVG zu beachten, wonach Wahlen und geheime Abstimmungen in diesem Rahmen nicht zulässig sind; die entsprechenden Voraussetzungen wären im Rahmen einer Videokonferenz kaum zu realisieren.

In Bezug auf den Datenschutz ist sicherzustellen, dass den Anforderungen des Saarländischen Datenschutzgesetzes und der EU-DSGVO umfassend Rechnung getragen wird. Dies betrifft auch die Sicherheit der gewählten Technik. Im Übrigen gelten für jedes Ratsmitglied die allgemeinen Anforderungen an die Vertraulichkeit, bspw. die Vergabe eines sicheren Passworts und dessen sorgfältige Aufbewahrung, die Sitzungsteilnahme in einem geschlossenen Raum, geschützt vor dem Zuhören oder Zuschauen durch Dritte etc.; insoweit sind die Pflichten des Ratsmitglieds bei Videokonferenzen vergleichbar mit den Pflichten zur sorgfältigen Aufbewahrung der schriftlichen Unterlagen für Ratssitzungen in Präsenz.

Bei Durchführung einer Sitzung als Videokonferenz muss außerdem durch zeitgleiche Übertragung in Ton und Bild in einen öffentlich zugänglichen Raum die Herstellung der Öffentlichkeit gewährleistet werden; der Ort ist bei Bekanntmachung der Sitzung zu benennen.

Weigerung eines Ratsmitglieds, an Videokonferenzen teilzunehmen

Gemeinderatssitzungen dürfen nur dann als Videokonferenzen durchgeführt werden, wenn neben den übrigen rechtlichen Voraussetzungen zwei Drittel der Zahl der gesetzlichen Mitglieder des Gemeinderats dem zustimmen. Ist ein solcher Mehrheitsbeschluss erfolgt und liegen die weiteren Voraussetzungen nach § 51a Absatz 1 KSVG vor, kann die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister zu einer Sitzung als Videokonferenz einladen. Die Entscheidung des Gemeinderats gilt für alle Ratsmitglieder, die somit auch alle an der Sitzung teilnehmen müssen: § 33 Absatz 1 KSVG normiert ausdrücklich eine Pflicht der Ratsmitglieder zur Teilnahme an den Sitzungen des Gemeinderats, es steht somit nicht im Belieben des Einzelnen, an den Sitzungen teilzunehmen oder nicht teilzunehmen; die Art der Durchführung als Videokonferenz führt hier nicht zu einer anderen Bewertung.

Beschlussfassung des Rats im schriftlichen oder elektronischen Verfahren gemäß § 51a Absatz 2 KSVG

Liegt bereits eine Notlage vor, kann der Gemeinderat die Entscheidung über die Durchführung von Videokonferenzen auch im Umlaufverfahren oder elektronisch treffen. Damit wird gewährleistet, dass der Schutz, den der Gesetzgeber für den Fall einer Notlage durch das Absehen von Präsenzsitzungen gewährleisten will, unmittelbar greift und nicht etwa durchbrochen wird, weil die hierfür erforderliche Beschlussfassung ihrerseits eine Präsenzsitzung voraussetzt.

Ist ein Wechsel von der Präsenzsitzung zur Videokonferenz und umgekehrt möglich?

Der Rat kann jederzeit seinen Beschluss, künftig (für die Dauer der außerordentlichen Notlage) in Videokonferenzen zu tagen, wieder aufheben. Hierfür bedarf es keiner qualifizierten Mehrheit, sondern hier gilt der Grundsatz des § 35 KSVG, also die einfache Mehrheit. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes und trägt der Tatsache Rechnung, dass die hohen Anforderungen einer Mehrheit von zwei Dritteln der Ratsmitglieder nur dann erforderlich sind, wenn von einem wesentlichen Grundprinzip – der sog. Präsenzsitzung, also der gemeinsamen Sitzung aller Ratsmitglieder bei körperlicher Anwesenheit in einem Raum – nach § 38 KSVG abgewichen werden soll. Die Aufhebung des Beschlusses beinhaltet nur eine Rückkehr zum regulären Verfahren. Auch ein Grundsatzbeschluss kann somit im Rahmen der Organisationshoheit des Gemeinderats wieder aufgehoben werden. Insofern bleibt der Rat auch in diesem Fall Herr des Verfahrens; die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister ist bei der Einladung zu Sitzungen an einen entsprechenden Beschluss des Gemeinderats gebunden.

Wäre (hinsichtlich einer Notlage) eine Regelung zulässig, nach der der Bürgermeister vor jeder Sitzung zunächst ein entsprechendes Einvernehmen mit den Fraktionsvorsitzenden herstellen muss?

Nein, die Feststellung, ob eine außerordentliche Notlage vorliegt, obliegt ausschließlich der Bürgermeisterin oder dem Bürgermeister als Vorsitzenden des Gemeinderats (s.o.). Diese Feststellung gehört zu ihrem Aufgabenbereich. Das Gesetz sieht die Herstellung eines Einvernehmens mit den Fraktionsvorsitzenden nicht vor. Eine solche Regelung wäre daher nicht zulässig, sie stünde nicht mit den Zuständigkeiten nach den Vorschriften des KSVG im Einklang. Bürgermeisterin oder Bürgermeister steht es aber frei, sich mit den Fraktionsvorsitzenden in Verbindung zu setzen, um deren Einschätzung zu einer Sitzung nach § 51a Absatz 1 KSVG einzuholen; dies kann bspw. bei der Überlegung hilfreich sein, inwieweit die einzelnen Ratsmitglieder mit der erforderlichen Technik bereits vertraut sind. Die Feststellung der Notlage (und die Einladung der Ratsmitglieder auf der Grundlage eines wirksamen Beschlusses nach § 51a Absatz 2 KSVG) fällt jedoch in die alleinige Zuständigkeit von Bürgermeisterin oder Bürgermeister.

Kann der Rat durch Beschluss festlegen, dass nur für einen bestimmten, kalendermäßig festgelegten Zeitraum die Ratssitzungen als Videokonferenzen durchgeführt werden sollen?

Diese Festlegung kann der Rat treffen. Sie ist jedoch nur so lange wirksam, wie die Notlage i.S.d. § 51a Absatz 1 KSVG tatsächlich andauert. Der Rat kann auch diese Festlegung durch einen neuen Beschluss aufheben, bspw. wenn sich die tatsächliche Situation so verändert hat, dass trotz fortbestehender Notlage Präsenzsitzungen wieder durchführbar erscheinen.

Wie wird ein Grundsatzbeschluss im Umlaufverfahren gem. § 51a Absatz 2 KSVG beschlossen und welchen Zeitraum kann er umfassen?

Ein Grundsatzbeschluss kann nur dann im Umlaufverfahren gefasst werden, wenn bereits eine außerordentliche Notlage vorliegt; ohne eine solche Notlage ist kein Grund dafür gegeben, von dem allgemeinen und zugleich sehr wichtigen Grundsatz des § 38 KSVG, dass der Gemeinderat in Sitzungen tagt, abzusehen.

Ein Grundsatzbeschluss kann auch für einen gewissen Zeitraum erfolgen, der Gemeinderat kann sich hier entscheiden, ob er grundsätzlich bspw. bis zum Ende des Jahres in Videokonferenzen tagen will oder nur für die nächsten drei Sitzungen. Insoweit eröffnet das Gesetz hier einen weiten Spielraum. Allerdings wirkt auch ein solcher Grundsatzbeschluss immer nur solange, bis die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister das Ende der außerordentlichen Notlage feststellt, da dann die Voraussetzungen des § 51a Absatz 1 KSVG nicht mehr vorliegen und die Grundlagen für den Beschluss damit entfallen.

Außerhalb einer solchen außerordentlichen Notlage nach § 51a Absatz 1 KSVG ist ein Grundsatzbeschluss (als Vorratsbeschluss) nur im Rahmen einer regulären Beschlussfassung in einer Gemeinderatssitzung nach § 38 KSVG möglich.

Was sind die „technischen Voraussetzungen“ i.S.d. § 51a Absatz 3 KSVG und wie sind sie zu gewährleisten?

Die Gemeinde muss zunächst jedem Ratsmitglied die erforderliche Hardware und Software zur Verfügung stellen. Außerdem muss sie dafür sorgen, dass die Ratsmitglieder durch entsprechende Einweisung oder Schulung auch in der Lage sind, diese anzuwenden. Ggf. muss sie zusätzliche Hilfestellung bieten, wenn deutlich wird, dass im Einzelfall eine allgemeine Schulung nicht ausreicht.

Hingegen kann die Gemeinde nicht gewährleisten, dass im Zeitpunkt der Sitzung bspw. der erforderliche Zugang zum Internet zur Verfügung steht. Sollte es hier zu Ausfällen kommen, wie es auch vereinzelt zu Stromausfällen kommen kann, liegt dies nicht im Verantwortungsbereich der Gemeinde. Die Sitzung ist ggf. zu unterbrechen, und eine neue Sitzung ist zu terminieren, wenn es sich nicht nur um eine ganz kurzfristige Unterbrechung handelt, die das Ratsmitglied nicht an der Ausübung seiner Rechte hindert.

Ist ein Nebeneinander von Entscheidungsfindung in Videokonferenzen des Gemeinderats nach § 51a Absatz 1 KSVG und des Notausschusses nach § 51a Absatz 5 KSVG möglich?

Ein Nebeneinander von Entscheidungsfindung in Videokonferenzen des Gemeinderats nach Absatz 1 und des Notausschusses nach Absatz 5 ist nicht möglich, da hier gerade ein Stufenverhältnis vorgesehen ist: Voraussetzung der Übertragung auf den Notausschuss ist, dass entweder die technischen Voraussetzungen für Videokonferenzen nicht vorliegen oder das Fortbestehen der Notlage über einen längeren Zeitraum zu erwarten ist. Im ersten Fall ist ein Nebeneinander von vorneherein ausgeschlossen, aber auch im zweiten Fall ergibt sich dies aus Wortlaut und Systematik der Norm, dass Entscheidungen nur dann auf einen Notausschuss übertragen werden können, wenn der Rat gerade nicht die Durchführung von Videokonferenzen beschlossen hat.

Können in einer Notlage alle Aufgaben auf einen Notausschuss gebündelt übertragen werden?

In § 51a Absatz 5 KSVG ist von der Übertragung „der Beschlussfassung“ auf den Notausschuss die Rede. Der Rat kann dem Notausschuss nach Absatz 5 durch Beschluss nur die Aufgaben übertragen, die ihm selbst, also dem Rat, obliegen, nicht hingegen die Aufgaben, die einem beschließenden Ausschuss übertragen worden sind. Die Zuständigkeit der übrigen Ausschüsse bleibt somit unberührt, der Notausschuss kann nicht ohne weiteres die Aufgaben der anderen Ausschüsse übernehmen. Den - regulären - Ausschüssen sind bereits bestimmte Aufgaben zur Beratung bzw. Beschlussfassung übertragen. Diese Aufgabenzuständigkeit entfällt nicht einfach dadurch, dass der Gemeinderat eigene Aufgaben auf einen Notausschuss überträgt. Die Übertragung auf einen Notausschuss dient dem Ziel, (Präsenz-) Sitzungen des (im Vergleich zum Ausschuss deutlich größeren) Gremiums Gemeinderat zu vermeiden. Dabei kann der Rat auch nur bestimmte ihm obliegende Aufgabenbereiche übertragen.

Will der Gemeinderat auch Aufgaben im Notausschuss bündeln, die bereits auf beschließende Ausschüsse übertragen sind, setzt dies eine entsprechende Beschlussfassung und Änderung der Geschäftsordnung voraus, indem er die Ausschüsse (mit Ausnahme des Rechnungsprüfungsausschusses) zusammenlegt nach § 48 Absatz 2 Satz 3 KSVG.

Auch im Fall der Aufgabenerledigung durch einen anderen Ausschuss tagt allerdings ein im Vergleich zum Rat deutlich kleineres Gremium, d.h. nicht die volle Stärke des Gremiums Gemeinderat, die in einer außerordentlichen Notlage erhebliche Schwierigkeiten bereiten kann; die Ausschüsse als verkleinerte Gremien haben gerade weniger Schwierigkeiten mit den Hygienevorschriften, insbes. Abstandsregeln etc. Die Vertretung der einzelnen Parteien/Wählergruppen/Fraktionen in den Ausschüssen wird regelmäßig, sofern es keine Änderungen während der Amtszeit des Rats gibt, zu Beginn der Amtszeit nach § 48 Absatz 1 KSVG festgelegt, eine Abweichung bzw. ein Entzug von Aufgaben durch Verlagerung auf einen anderen Ausschuss kann daher nur mit sachlichem Grund erfolgen. Ob ein solcher Grund im Rahmen der Regelung des § 51a KSVG ggf. mit der Notlage als solcher und den damit verbundenen Notwendigkeiten, Gremien und deren Sitzungen auf das unbedingt Notwendige zu beschränken, begründet werden kann, erscheint gerade mit Rücksicht auf die geringere Größe beider Gremien zweifelhaft. Allenfalls könnte dafür sprechen, wenn bei der Besetzung des Notausschusses darauf geachtet wurde, dass keine vulnerablen Ratsmitglieder vertreten sind, die  in Präsenzsitzungen zusammen kommen.

Gilt die Möglichkeit der Durchführung von Videokonferenzen auch für die Ausschüsse?

Die Möglichkeit einer Videokonferenz besteht nach § 51a Absatz 1 i.V.m. § 48 Absatz 6 KSVG auch für Ausschüsse. Daher kann auch der Notausschuss in Form der Videokonferenz tagen.

Ebenso wie der Gemeinderat ist auch der Ausschuss die Entscheidung von Bürgermeisterin oder Bürgermeister zum Vorliegen der außerordentlichen Notlage gebunden. Entsprechend den Voraussetzungen für die Durchführung von Videokonferenzen der Gemeinderäte sind folgende Voraussetzungen zu prüfen:

  • Vorliegen der außerordentlichen Notlage; durch Bürgermeisterin oder Bürgermeister festgestellt;
  • Durchführung einer Präsenzsitzung ist erheblich erschwert; diese Voraussetzung ist bspw. in der akt. Pandemielage bei Gemeinderäten eher gegeben, da Sitzungen großer Gremien mit entsprechenden Mindestabständen nur in sehr großen Räumen durchgeführt werden können;
  • Entscheidung mit 2/3-Mehrheit des Ausschusses (nicht des Gemeinderats) für die Durchführung von Videokonferenzen;

Die Videokonferenz ermöglicht dann eine Risikominimierung für die Ausschussmitglieder (Notausschuss oder reguläre Ausschüsse gleichermaßen). Sie macht es außerdem möglich, dass Ausschussmitglieder, die bspw. in Quarantäne sind oder wegen Vulnerabilität an Präsenzsitzungen nicht teilnehmen würden, an der Videokonferenz teilnehmen.

Hat die Durchführung von Sitzungen als Videokonferenzen Vorrang vor der Bildung des Notausschusses, da eine Ermessensentscheidung nach § 51a Absatz 5 KSVG erst nach einer Beurteilung zur voraussichtlichen Dauer der Notlage („längerer Zeitraum“) möglich ist?

Grundsätzlich ist die Entscheidungsfindung des originär zuständigen Gemeinderats in Videokonferenzen anstelle von der Übertragung auf den Notausschuss in einer außerordentlichen Notlage vorrangig, da damit die in der Kommunalverfassung vorgesehene Kompetenzverteilung auf die Organe erhalten bleibt.

Die Bildung eines Notausschusses wegen einer Notlage, die voraussichtlich über einen längeren, mehrere Monate umfassenden Zeitraum vorliegen wird, ist dann denkbar, wenn die zugrundeliegende Einschätzung auf entsprechenden Beurteilungen und Prognosen von Fachleuten auf der Grundlage der im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegenden Informationen und Daten beruht. Dies kann ggf. auch bereits zu Beginn einer entsprechenden Notlage der Fall sein, wobei sich die Beurteilung immer nach den Umständen des Einzelfalls richtet.

Grundsätzlich kann also ein Notausschuss nur dann gebildet werden, wenn entweder die technischen Voraussetzungen für die Durchführung von Videokonferenzen nicht vorliegen oder aber, wenn abzusehen ist, dass die Notlage über einen längeren Zeitraum andauern wird und hierfür eine weitestgehend gesicherte Prognose vorliegt.

Kann die Übertragung der Beschlussfassung des Rats auf den Notausschuss selektiv erfolgen?

Die Frage, welche Angelegenheiten der Rat auf den Notausschuss überträgt, fällt in die Entscheidungskompetenz des Rats, der Herr des Verfahrens ist, der somit auch entscheiden kann, in welchem Umfang die Übertragung erfolgt.

Können die Bildung des Notausschusses und die Übertragung der Aufgaben auf den Notausschuss bereits in der konstituierenden Sitzung des Rats erfolgen, so dass dieser „schlafende“ Notausschuss von der Bürgermeisterin oder dem Bürgermeister im Falle einer Notlage nur noch durch Einberufung aktiviert werden muss?

Der Gemeinderat kann ohne weiteres bereits zu Beginn seiner Amtszeit beschließen, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 51a Absatz 1 KSVG Sitzungen des Gemeinderats für die Dauer einer außerordentlichen Notlage als Videokonferenz durchzuführen, wenn der Notausschuss anstelle der Videokonferenzen des originär zuständigen Gemeinderats bei einer länger andauernden außerordentlichen Notlage entscheiden soll oder bei etwaigen technischen Schwierigkeiten, die sich bei Durchführung von Videokonferenzen stellen können. Sind solche Schwierigkeiten allerdings bei Beginn der Notlage absehbar, sollte das Bemühen, hierfür kurzfristig Lösungen zu finden, Vorrang haben.

Hierfür bedarf es der entsprechenden Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Mitglieder (unterschiedliche Quoren bei Bildung des Ausschusses und Übertragung der Kompetenzen).

Kann die Bildung des Notausschusses bereits in der konstituierenden Sitzung des Rates erfolgen, die Übertragung der Beschlussfassung jedoch erst, wenn die Notlage tatsächlich eingetreten ist?

Die Bildung des Notausschusses kann wie die Bildung der übrigen Ausschüsse bereits in der konstituierenden Sitzung des Rats erfolgen. Die Übertragung der Beschlussfassung auf den Notausschuss ist hingegen erst dann möglich, wenn eine Notlage tatsächlich eingetreten ist und die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, vgl. Absatz 5 Satz 1. Für die Übertragung selbst ist eine qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Mitglieder des Rats erforderlich.

Kann der „öffentlich zugängliche Raum“ im Sinne des § 51a Absatz 6 KSVG auch ein virtueller Raum (Internet) sein?

Nein, es kann und darf nicht erwartet werden, dass alle interessierten Personen über einen Internetzugang verfügen. Teilweise fehlen in der Bevölkerung nach wie vor die technischen Voraussetzungen oder auch die erforderlichen Kenntnisse, die notwendig wären, um die Sitzungen online verfolgen zu können. Nach dem Grundsatz der Öffentlichkeit muss aber allen Interessierten die Möglichkeit geboten werden, die Sitzung zu verfolgen. Eine Übertragung im Internet durch Livestream bspw. kann somit nur zusätzlich zur Übertragung in einen öffentlich zugänglichen Raum erfolgen; dabei sind die Voraussetzungen des § 40 KSVG zu beachten.

Die Übertragung muss in einen öffentlich zugänglichen Raum erfolgen, der gut erreichbar ist, z.B. das Foyer des Rathauses oder einen anderen, öffentlich zugänglichen und zentral gelegenen Bereich. Der Übertragungsort ist gleichzeitig mit der Bekanntmachung der Sitzung zu benennen.