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Rede der Ministerin Christine Streichert-Clivot zur Festveranstaltung "60 Jahre Élysée-Vertrag"

Wir feiern in diesem Jahr 60 Jahre deutsch-französische Freundschaft. Den Auftakt des "Élysée-Jahres" bildete die Festveranstaltung im Saarbrücker Schloss am 22. Januar 2023.

Sehr geehrte Damen und Herren,
Mesdames et messieurs,

Ich freue mich außerordentlich heute an diesem besonderen Tag – dem 22. Januar 2023 – gemeinsam mit Ihnen die deutsch-französische Freundschaft zu feiern.

Heute vor 60 Jahren unterzeichneten Charles de Gaulle und Konrad Adenauer den Elysée-Vertrag. Damit legten die beiden Staatschefs den Grundstein für die deutsch-französische Aussöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg.

Und wenn wir heute auf die letzten 60 Jahre zurückblicken, dann können wir feststellen, dass sich eine echte und innige Freundschaft zwischen unseren beiden Ländern entwickelt hat. Es gibt keine zwei Staaten auf dieser Welt, die heute so enge Beziehungen unterhalten und so intensiv zusammenarbeiten wie Deutschland und Frankreich.

Meine Damen und Herren, Mesdames et messieurs,

der Erfolg der deutsch-französischen Freundschaft, den wir heute gemeinsam feiern, ist aber nicht allein Politikerinnen und Politikern zu verdanken.

Es sind vor allem die vielen engagierten Bürgerinnen und Bürger in unserer Zivilgesellschaft, die durch Städtepartnerschaften, Schulaustausch und Kulturprojekte dazu beigetragen haben, dass sich die deutsch-französischen Beziehungen in den letzten 60 Jahren so intensiv und vielfältig entwickelt haben. Sie haben Brücken gebaut und das Bewusstsein für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit geschaffen.

Das gilt insbesondere für das Saarland und unsere Grenzregion. Das Saarland ist nicht nur politisch und wirtschaftlich, sondern gerade auch kulturell das Scharnier zwischen Deutschland und Frankreich. Wir denken und handeln in unserer Region grenzenlos.

Für mich als Bildungsministerin liegt der wichtigste Baustein der grenzüberschreitenden Freundschaft in der Mehrsprachigkeit.

Hier haben wir schon einiges erreicht: Das Saarland ist bei der Mehrsprachigkeit inzwischen bundesweit Vorreiter. Unser Ehrgeiz ist, hier noch besser zu werden. Mein Ziel bleibt es, die Mehrsprachigkeit zu stärken und weiter auszubauen. Denn sich gegenseitig zu verstehen, ist der Schlüssel für grenzenloses Miteinander mit unseren Nachbarinnen und Nachbarn.
Deshalb legen wir im Saarland größten Wert darauf, das Erlernen der französischen Sprache und die Beschäftigung mit der Kultur bereits ab dem Kita-Alter zu fördern. Jede zweite Kita im Saarland arbeitet zweisprachig und gut 40 Prozent aller Elysee-Kitas bundesweit befinden sich im Saarland. 51 Prozent der Schülerinnen und Schüler lernen Französisch. Wir sind bundesweit spitze, was das angeht. Man könnte auch sagen, wir sind das französischste aller Bundesländer.

Gleichzeitig ist die grenzüberschreitende Verständigung natürlich nicht nur auf Französisch möglich, sondern auch auf Deutsch und Englisch. Letzteres entspricht schlicht der Lebensrealität vieler junger Menschen. Im Internet und in der internationalen Musik dominiert Englisch und das macht sich natürlich auch bemerkbar. Das gilt auf beiden Seiten der Grenze.
Und das finde ich vollkommen in Ordnung, denn am Ende zählt, dass wir alle miteinander eine gemeinsame Sprache haben. Wenn das Deutsch oder Französisch ist, freut es mich umso mehr. Ein großer Vorteil der deutschen und französischen Sprache ist ja, dass wir sie unmittelbar in unserer Region, am Arbeitsplatz mit Kolleginnen und Kollegen, beim Einkaufen oder auch bei Ausflügen nutzen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

was für mich aber noch viel bedeutsamer ist, als die Frage welche Sprache wir miteinander sprechen ist, dass wir die guten Beziehungen, die innige Freundschaft, die wir haben auch tatsächlich wollen.

Denn das Können ist das eine, das Wollen das andere.

Und da bin ich sehr froh, wenn auch wenig überrascht: Vor wenigen Tagen erst kam eine Infratest-Umfrage im Auftrag des Saarländischen Rundfunkt zu dem Ergebnis, dass drei Viertel der Menschen in unserer Region das deutsch-französische Verhältnis positiv sehen. Das ist großartig. Allerdings findet auch fast ein Drittel, dass sich das Verhältnis in den vergangenen drei Jahren eher verschlechtert hat. Das müssen wir alle miteinander ernst nehmen. Es ist ein Auftrag an uns alle, nach den Jahren der Corona-Krise mit all ihren Einschränkungen im persönlichen Miteinander, im grenzüberschreitenden Austausch und ja – auch mit ihren Kränkungen – nach vorne zu schauen und Brücken zu bauen.

Unserer Ministerpräsidentin Anke Rehlinger bin ich dankbar. Als Bevollmächtigte der Bundesrepublik Deutschland für die deutsch-französischen Bildungs- und Kulturbeziehungen hat sie am Donnerstag im Deutschen Bundestag gesprochen. Dabei hat sie unmissverständlich klargemacht, dass sich der Fehler, in der Corona-Krise die Grenze zwischen Frankreich und Deutschland zu schließen, nie mehr wiederholen darf.
Das war eine wichtige Aussage. Denn egal ob ich mich dies oder jenseits mit Menschen unterhalte – die Grenzschließungen haben gekränkt und enttäuscht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, darüber freue ich mich. Warum, werden Sie fragen? Wie kann man sich darüber freuen?
Das ist einfach: Kränkung und Enttäuschung setzen voraus, dass enge, ich würde sogar sagen intime, Beziehungen zwischen den Menschen gibt. Es ist wie in einer guten Freundschaft. Sie hält Kränkungen und Enttäuschungen aus, weil die Grundlage einer solchen Freundschaft tiefe Zuneigung und Vertrauen sind. Beides – Zuneigung und Vertrauen – sind auch die Grundlagen unserer deutsch-französischen Freundschaft. Und deshalb mache ich mir um die Zukunft dieser wichtigen Freundschaft überhaupt keine Sorgen, wenn wir sie nur pflegen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, genau das ist unsere Aufgabe. Wir müssen diese Freundschaft, die die Basis für die längste Friedenszeit in Mitteleuropa ist, die es jemals gab, aktiv pflegen.

Wie tun wir das?

Wir tun es, indem wir Gelegenheiten schaffen, aus denen persönliche Beziehungen zwischen Saarländerinnen und Saarländern und Französinnen und Franzosen entstehen können. Dafür braucht es Offenheit und eine gemeinsame Sprache, hier schließt sich der Kreis.
Für Offenheit und eine gemeinsame Sprache ist unsere Bildungs- und Kulturpolitik entscheidend. Hier legen wir die Grundlagen dafür, dass sich Menschen im wahrsten Sinne des Wortes frei bewegen können, ohne dass die Grenze zwischen unseren Staaten, Sprachbarrieren oder ein Gefühl der Fremdheit dem im Wege stehen.
Die Grundlage dafür, dass Vereins-, Gemeinde- und Städtepartnerschaften mit Leben gefüllt werden können.
Die Grundlage dafür, dass Unternehmen grenzüberschreitend arbeiten und Kundinnen und Kunden sich nicht von einer anderen Telefonvorwahl abschrecken lassen.
Die Grundlage dafür, dass Menschen miteinander in Kontakt kommen, vielleicht Teamkollegen oder Geschäftspartnerinnen werden, vielleicht Freundinnen und Freunde. Vielleicht werden sie auch ein Paar und gründen eine Familie, so wie das bei meinem Mann und mir selbst der Fall ist.
Wenn wir das erreichen, dann müssen wir uns um die Zukunft unserer deutsch-französischen Freundschaft wahrlich keine Sorgen machen.

Das sollten wir uns nicht nur heute am Elysée-Tag, sondern an jedem Tag in Erinnerung rufen.

Vive l’amitié franco-allemande!  

Glück auf!