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Prozesse vor dem Landgericht Saarbrücken

Historische Prozesse in der Geschichte des Landgerichts Saarbrücken

VON CHRISTOPH LAFONTAINE[1]

Das Gesicht des Landgerichts Saarbrücken wird maßgeblich auch von den Prozessen geprägt, die in 175 Jahren vor seinen verschiedenen Spruchkörpern verhandelt wurden. Manche Verfahren mögen als Spiegel der jeweiligen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse von zeitgeschichtlichem Interesse sein. Andere zeichnen sich durch die Einmaligkeit der ihnen zugrunde liegenden Vorgänge aus, wieder andere sind rechtsdogmatisch interessant oder auch nur von anekdotischem Wert. Die Kriterien für eine Auswahl sind ebenso vielfältig wie diskutabel. Im Rahmen eines Streiflichts sei es erlaubt, eine bis zu einem gewissen Grad willkürliche Auswahl zu treffen, die schon deshalb weder repräsentativ noch vollständig sein kann, weil bislang keine systematische Sammlung der Fälle des Landgerichts geführt wurde und zahlreiche erwähnenswerte Fälle vor allem aus älterer Zeit inzwischen in Vergessenheit geraten sind.

Verfahren vor dem 1. Weltkrieg

Im Jahr 1849 musste sich der Illinger Pfarrer H. vor dem Landgericht Saarbrücken wegen seiner Predigt vom 21. Januar 1849 verantworten, in der er empfahl, solche Persönlichkeiten zu wählen, die die Neue Ordnung festhalten könnten. Er riet, keine hohen Beamten, Adeligen, Geldmänner oder hohen Offiziere zu wählen. Der Erbadel sei mit den Prinzipien des Christentums nicht vereinbar. Ferner vertrat er die Auffassung, die Politiker hätten das größte Übel der Gesellschaft, die stets zunehmende Armut, nicht beseitigt.[2] Am 12. November 1849 wurde er nach kurzer Verhandlung freigesprochen. Das Trierer Regierungspräsidium, obwohl mit der Entscheidung nicht einverstanden, verzichtete auf die Einlegung eines Rechtsmittels.[3]

Ab dem 14. Dezember 1889 fand vor der Strafkammer des Landgerichts der Prozess gegen W. und fünf weitere führende Mitglieder des Rechtsschutzvereins für die bergmännische Bevölkerung des Oberbergamtsbezirks Bonn statt. Der Rechtsschutzverein hatte sich die Wahrung der Rechte seiner Mitglieder gegenüber der Knappschaftskasse, den Berginspektionen und der Berufsgenossenschaft zum Ziel gesetzt. Er forderte eine grundlegende Reform des Knappschaftswesens und strebte die Gründung eines nationalen Bergarbeiterverbandes unter Beteiligung der westfälischen und schlesischen Bergleute an.[4]

Den Angeklagten wurde vorgeworfen, anlässlich der Erörterung von Unregelmäßigkeiten in der Bergverwaltung Bergbeamten beleidigt zu haben. Dabei ging es um Ausdrücke wie „Paschawirtschaft, Lump, Spitzbuben, Lügner oder Ehrenwortbruch“.[5] Die Angeklagten ließen sich durch Verteidiger aus Köln und Berlin vertreten, nachdem sich – so der Angeklagte W. – kein einheimischer Anwalt finden ließ, der die Angeklagten vertreten wollte.[6] Das Gericht vernahm zunächst zahlreiche Zeugen zu den behaupteten Äußerungen. Dabei handelte es sich nach Einschätzung von W. fast ausschließlich um Personen der Aufsichtsbehörde, die von Amts wegen eventuell strafbare Äußerungen zu Papier zu bringen hatten.[7] Über die Richtigkeit der Vorwürfe gegen die Bergwerksverwaltung wurden die von den Angeklagten aufgebotenen Zeugen vernommen. Im Interesse der Sittlichkeit und mit Rücksicht auf eine zum Gegenstand der Verhandlung gemachte Publikation wurde die Öffentlichkeit wiederholt ausgeschlossen.[8] Die Saarbrücker Zeitung kommentierte, der Prozess habe gezeigt, wie wenig die Angeklagten geeignet seien, einer großen Bewegung vorzustehen. Durch einige Äußerungen sei klar geworden, dass W. sozialdemokratische Schule genossen habe.[9] Das Landgericht sprach zwei Angeklagte frei, die übrigen wurden verurteilt. W. erhielt eine Gefängnisstrafe von sechs Monaten.[10] Die Bewegung des Rechtsschutzvereins wurde damit allerdings nicht signifikant geschwächt.[11]

1894 hatte sich das Landgericht mit einer Polizeiverordnung zu befassen, die die Anforderungen an die Räumlichkeiten und sanitäre Ausstattung von Kasinos regelte. Die Kasinos, die nach dem Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 1. Mai 1889 keiner Polizeikontrolle unterlagen, wurden von Arbeitern und Bergleuten an der Saar in großer Zahl genutzt, um unter dem Statut des Vereins neben der Geselligkeitspflege und dem Getränkeausschank eine proletarische Öffentlichkeit zu schaffen. Die Bergwerksdirektion sah hierin nicht nur einen Ausdruck von „Völlerei und Unzüchtigkeit“, sondern befürchtete, dass diese Vereine „samt und sonders sozialdemokratisch“ seien. Die Polizeiverordnungen sollten mit ihren hohen Anforderungen dazu dienen, die „Saufkasinos“ aufzuheben. Hiergegen wehrten sich jedoch einige Kasinos. So beanstandete etwa der Lagerhalter des Kasinos zu Herrensohr, die Kasinoschließungen richteten sich gegen bestimmte Klassen der Bevölkerung, wohingegen eine Polizeiverordnung nur gegen die gesamte Bevölkerung und nicht für einzelne Teile derselben erlassen werden dürfe. Das Saarbrücker Landgericht hob die Polizeiverordnung auf.[12]

Über die politischen Verhältnisse der Jahrhundertwende gibt auch das vom 15. bis 23. Dezember 1903 vor der 1. Strafkammer verhandelte Verfahren gegen einen Redakteur der Neunkircher Zeitung, einem Organ der Zentrumspartei, Aufschluss.[13] Anlässlich der bevorstehenden Reichstagswahl hatte der Vorsitzende der Königlichen Bergwerksdirektion Saarbrücken, Geheimrat H., der „ultramontan-demokratischen Presse“ in einer Rede vorgeworfen, den Führern der national-liberalen Partei die Freude an der politischen Arbeit zu verekeln, das gute Verhältnis zwischen Arbeitern und Arbeitgebern zu stören und die Behauptung einer imparitätischen Besetzung der Beamtenstellen dazu zu benutzen, den religiösen Fanatismus zu entfallen. Es handele sich hierbei „nur um ein sinnloses Hetzen, um einen Paritäts-Unfug, für den der Redner nichts habe als ein Pfui!“.[14] Hierüber berichtete die Saarbrücker Zeitung am 27. April 1903 ausführlich. Die damit angesprochene St. Johann-Saarbrücker Volkszeitung und die Neunkircher Zeitung – letztere unter Leitung des Redakteurs L. – replizierten hierauf in drei Artikeln, die am 28., 29. und 30. April bzw. am 30. April und am 1. und 4. Mai 1903 erschienen. Darin wiesen sie den Vorwurf, die Paritätsfrage dazu zu benützen, den religiösen Fanatismus zu entflammen, zurück. Zugleich hielten sie ihre Vorwürfe, dass Bergarbeiter zu Parteizwecken missbraucht würden, ihnen Hungerlöhne gezahlt und Katholiken im Bergbau benachteiligt würden, aufrecht. Hiergegen stellte H. Strafantrag. Das Landgericht erhob Beweis über die Wahrheit der in der Neunkircher Zeitung erhobenen Vorwürfe. Dabei gelangte es zu dem Ergebnis, dass zwar in Einzelfällen Bergleute sich wegen ihres politischen Verhaltens beeinträchtigt fühlten und sich in ihren religiösen Gefühlen gekränkt geglaubt hätten, dass sich jedoch eine systematische Diskriminierung von oben herab nicht begründen lasse. Bezüglich der Lohnfrage sei nachgewiesen, dass die Arbeiter seitens der Bergbehörde in ihrem Verdienst und in ihrer Lebenshaltung eine Förderung fänden, die nach jeder Richtung anzuerkennen sei. Mit Rücksicht darauf, dass dem Angeklagten von verschiedener Seite Material zugetragen worden sei, worin die erhobenen Vorwürfe als begründet dargestellt worden seien, sei L. der gute Glaube indes ganz überwiegend nicht zu versagen. Lediglich die Behauptung, die Bergarbeiter würden gezwungen, in den nationalliberalen Wahlverein einzutreten, habe er wider besseres Wissen aufgestellt. Auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen könne er sich nicht berufen.[15] L. wurde zu einer Geldstrafe von 900 Mark verurteilt. Bei der Strafzumessung berücksichtigte das Gericht, dass L. durch Urteile der Strafkammer vom 31. Oktober 1903[16] wegen ähnlich gelagerter Vorwürfe vorbestraft war.

Eine höhere Strafe erhielt der Bergmann K., der 1903 entlassen wurde, weil er eine gewerkschaftliche Versammlung besucht hatte. K. hatte im März 1904 zwei Flugblätter herausgegeben, in denen er sich anknüpfend an die Prozesse gegen den Redakteur L. und die sich hieran anschließenden Landtagsverhandlungen mit den „saarabischen Zuständen“ befasste. Darin führte er aus, dass sich die Saarbergleute geduldig bevormunden ließen, ihr staatsbürgerliches Vereins- und Versammlungsrecht nicht gebrauchten, dass sie glaubten, durch demütiges Bitten und feiges Ducken zum Rechte zu kommen. Schließlich forderte er zum Eintritt in den Verband Deutscher Bergarbeiter auf.[17] Die Flugblätter wurden konfisziert, am 15. März und 16. März wurden Anklagen erhoben, die Hauptverhandlung wurde – offenbar in Erwartung eines kurzen Prozesses – auf den 8. April, 17.00 Uhr, terminiert, und Gesuche um Terminsverlegung zum Zwecke der Vorbereitung wurden abgelehnt.[18] Der Prozess dauerte jedoch bis zum 12. Juni, da es K. gelungen war, eine größere Zahl von Zeugen direkt laden zu lassen und sodann weitere Zeugen nachzubenennen.[19] Die Kammer gelangte schließlich zu dem Ergebnis, dass zwar die in den Flugblättern wiedergegebenen statistischen Angaben zutreffend seien, jedoch seien die sich hieraus ergebenden Schlussfolgerungen beleidigend. Der Angeklagte behaupte zwar, dass er ein seit Jahrzehnten bestehendes System habe treffen wollen und keine Personen. Aus dem gesamten Inhalt sei jedoch zu erkennen, dass er die derzeitigen Träger und Organe der Verwaltung, den Vorsitzenden der Bergwerksdirektion und seine Beamten angreifen und in ihrer Ehre habe herabsetzen wollen. Mildernde Umstände seien dem Angeklagten nicht zuzubilligen, da er durch die L.-Prozesse gewarnt gewesen sei. Das Urteil lautete auf eine Gefängnisstrafe von drei Monaten. Die Flugblätter sowie die zu ihrer Herstellung dienenden Formen und Platten wurden vernichtet.[20]

Verfahren zur Völkerbundszeit

Am 24. Februar 1923 begann der Prozess gegen den Redakteur F. der Saarbrücker Zeitung wegen schwerer Beleidigung und übler Nachrede. Vorausgegangen war eine politische Kontroverse, in der dem saarländischen Mitglied der Regierungskommission Dr. H. vorgeworfen wurde, in seiner Eigenschaft als Bürgermeister von Saarlouis eine Eingabe des Stadtverordneten-Kollegiums an die zukünftige Saarregierung sinnentstellt zu haben. Er habe nämlich die Eingabe, mit der die Stadt darum bat, bei der Einrichtung der Verwaltung besonders bedacht zu werden, in eine Loyalitätserklärung für Frankreich umgefälscht. In der Ausgabe der Saarbrücker Zeitung vom 4. September 1922[21] druckte F. die Eingabe im vollen Wortlaut ab und kommentierte in einer Einleitung hierzu, Dr. H. habe sich des „schmachvollen Landesverrats durch einen gemeinen Betrug zu Schulden kommen lassen“. Hiergegen erstattete Dr. H. Strafanzeige.

Der Prozess gegen F. begann mit einer gewissen Verzögerung – der Annahme der Saarbrücker Zeitung zufolge wohl, um eine obergerichtliche Entscheidung abzuwarten, die entgegen der vorangehenden Praxis der Regierungskommission die Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit der Saarländischen Richter garantierte.[22] In der Verhandlung hielt der Angeklagte an seinen Vorwürfen fest. Dr. H. erklärte, er habe die in die französische Sprache übersetzte Denkschrift der Stadtverordneten-Versammlung vorlesen lassen. Dabei sei auch über die Worte „Fidélité“ und „Loyauté“ diskutiert worden.[23] Im Verlauf der Beweisaufnahme zitierte ein Zeuge ein angeblich von Dr. H. stammendes Begleitschreiben zu der Denkschrift vom 24. Juli 1919 und ein weiteres Schreiben an den französischen Kriegsminister vom 15. Januar 1920. Darin wurde die Treue zu Frankreich beteuert und die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, „dass Frankreich Ihrer Stadt, die über ein Jahrhundert lang wegen ihres Ursprungs und ihrer Zuneigung für Frankreich von Preußen boykottiert wurde, helfen wird, wieder in ihre historischen Rechte eingesetzt zu werden“. Dr. H. erklärte, es habe kein Begleitschreiben zu der Denkschrift gegeben. An das weitere Schreiben könne er sich nicht erinnern. Das Gericht veranlasste daraufhin eine Suche im Stadtarchiv von Saarlouis nach den beiden Briefen. Dabei wurde der Brief an den französischen Kriegsminister mit Abgangsvermerk gefunden.[24] Öffentlich diskreditiert nahm Dr. H. seinen Strafantrag zurück und musste von seinem Regierungsamt zurücktreten.[25]

Verfahren zur NS-Zeit

Ein Blick auf die verfügbaren Quellen zur NS-Zeit belegt, dass sich das Landgericht Saarbrücken in dieser Zeit ähnlich wie andere Gerichte des Reichs in seiner Rechtsprechung vom Geist der Zeit lenken ließ.[26]

Zahlreiche Verfahren lassen sich dem – innerhalb wie außerhalb der Justiz geführten – Kirchenkampf zuordnen. So wird etwa ein am 8. November 1935 gegen den Kaplan S. geführtes Strafverfahren einer Reihe von Sittlichkeitsprozessen zugerechnet, mit denen die Geistlichkeit – teils aufgrund tatsächlich begangener, teils aufgrund fingierter Taten – gezielt diskreditiert werden sollte.[27] Der Angeklagte wurde zu einer Haftstrafe von sechs Jahren verurteilt.[28] Anschließend wurde er in das KZ Buchenwald verbracht, wo er am 9. Februar 1941 umkam.[29]

Mit Urteil vom 8. Juni 1936[30] wurde ein Theologiestudent wegen eines Vergehens nach § 2 des so genannten Heimtückegesetzes zu einer zweimonatigen Gefängnisstrafe verurteilt. Die Weihnachtskrippe von Schwemlingen war um eine – auch nach dem Eindruck des Gerichts „völlig unkünstlerisch dargestellte“ Figurengruppe erweitert worden, die Hitler, von Hindenburg und den Reichskriegsminister von Blomberg neben Wehrmachtssoldaten darstellen sollten. Der Angeklagte entfernte die Hitlerfigur. Mit dem Tatvorwurf konfrontiert, ließ er sich dahin ein, die Figur als Kitsch empfunden und aus der Gesinnung eines für Staat, Bewegung und Führer eingestellten Volksgenossen diesen Kitsch beseitigt zu haben. Das Gericht folgte ihm jedoch nicht. Unter anderem erachtete es die Einlassung des Angeklagten als nicht glaubhaft, „weil er gerade die Figur des Führers aus der großen Zahl anderer Figuren, die nicht minder wertlos und kitschig waren, herausgriff“. Die kleine Hitlerfigur habe als solche die „Weihe und Würde der Kirche nicht beeinträchtigen können, auf keinen Fall aber anders als die Figur von Hindenburg und Blomberg“.

Am 8. Januar 1938 wurde der Synodalassessor B. der Saarbrücker Synode vor dem Sondergericht angeklagt. Er war maßgeblich an der Verteilung eines Flugblatts beteiligt, das zum Boykott einer von Hitler anberaumten Kirchenwahl aufrief, die nach dem Verständnis der Bekennenden Kirche die Kirchenleitungen zu geschäftsführenden Organen degradieren sollte.[31] Erst 1940, nachdem B. nach Argentinien ausgereist war, wurde das Verfahren eingestellt.[32]

Am 10. Januar 1941 wurde Pfarrer N., der zunächst als Kaplan in St. Ingbert und Blieskastel wirkte und sich gegen die Aushöhlung des Sonntags und des Gottesdienstbesuchs durch Dienste bei der Hitlerjugend zur Wehr setzte, zu einer Geldstrafe von 190 RM verurteilt. Er verlor seine Schulstelle und erhielt Unterrichtsverbot.[33]

In einem anderen Fall wurde Pfarrer D. durch Beschluss des Sondergerichts am 8. November 1943 in die Heil- und Pflegeanstalt Klingenmünster eingewiesen, aus der er erst am 21. April 1945 befreit wurde.[34] Allein aus dem zur Diözese Speyer gehörigen Landesteil wurden zwölf Verfahren gegen Geistliche vor dem Sondergericht Saarbrücken erfasst.[35] Davon wurden allerdings mehrere Verfahren im Wege der Amnestie eingestellt.[36]

Zahlreiche Verfahren richteten sich auch gegen die Internationale Bibelforscher-Vereinigung, die verboten worden war, da sie sich aus marxistischen und aus staatsfeindlichen Elementen rekrutiert haben sollte.[37] Gegen Zeugen Jehovas wurden etwa mit Urteil vom 24. Januar 1941 Zuchthausstrafen bis zu drei Jahren wegen verbotswidriger Hausversammlungen und Bibelstunden verhängt.[38]

Aber auch durch die Nichtverfolgung von Straftaten leistete das Landgericht Saarbrücken Anteil am nationalsozialistischen Unrecht. In der Reichspogromnacht 1938 war ein jüdischer Geschäftsmann aus Saarbrücken in Schutzhaft genommen und sein Geschäft geplündert worden. Auf seine Strafanzeige hin konnten die Täter rasch ermittelt werden. Mit Schreiben vom 9. Januar 1939 erbat die Generalstaatsanwaltschaft – wegen der Eigennützigkeit der Taten – in einem Schreiben an das Reichsministerium in Berlin, dem Verfahren Fortgang zu geben. Dieses gab dem Antrag statt, bat jedoch, zunächst die Entscheidung des Gaugerichts abzuwarten. Inzwischen stellte das Landgericht Saarbrücken das Verfahren gegen einige Angeklagte ein. Auch auf eine erneute Forderung des Reichsministeriums der Justiz hin wurde das Verfahren im Übrigen bis zum 1. Juni 1940 nicht gefördert, da die Adressen der Angeklagten nicht sämtlich zu ermitteln gewesen seien.[39]

Zahlreiche Verfahren vor dem Sondergericht bei dem Landgericht Saarbrücken betrafen Vergehen gegen das Heimtückegesetz, mit dem insbesondere Beleidigungen politischer Institutionen und Personen geahndet werden sollten. Die 916 Verfahrensakten, die aus der Zeit von 1936 bis 1945 noch vorhanden sind,[40] deuten jedoch darauf hin, dass in der Spruchpraxis des Sondergerichts Eigentums- und Vermögensdelikte überwogen.[41]

Es scheint, als sei es 1936 durchaus noch möglich gewesen, das Heimtückegesetz großzügig auszulegen. So wurde am 15. Februar 1936 etwa ein als politisch linksgerichtet bekannter Angeklagter freigesprochen, da er „mit seinen Äußerungen nur seine kommunistische oder marxistische Gesinnung zum Ausdruck gebracht und die Dauer der heutigen nationalsozialistischen Regierung allgemein in Zweifel gestellt habe (und) bei der Persönlichkeit des Angeklagten auch die Annahme nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen sei, dass er tatsächlich, wie er angibt, der ihm seit langem bekannten Zeugin (…) gegenüber sich nur scherzhaft oder wichtigtuerisch, aber nicht hetzerisch äußern wollte“.[42] Mit Kriegsbeginn wurden zunehmend auch hohe Gefängnisstrafen bei Straftaten gegen das Heimtückegesetz verhängt. Hinzu kamen insbesondere Verurteilungen wegen Plünderungsdelikten und Kriegswirtschaftsverbrechen.[43]

Am 8. Mai 1940 verurteilte das Sondergericht einen Mann wegen Rassenschande zu einer Zuchthausstrafe von zwei Jahren.[44] Am 27. August 1941 wurden sieben Arbeiterinnen zu Gefängnis- und Zuchthausstrafen bis zu zwei Jahren verurteilt, weil sie verbotenen Umgang mit Kriegsgefangenen hatten.[45]

Von 1939 bis 1945 verzeichnen die erhaltenen Akten mindestens 36 Todesurteile.[46] So verurteilte das Sondergericht beispielsweise am 16. Februar 1944 den niederländischen Zimmermann M. zum Tode, weil er 770 Mark und mehrfach Wäsche aus verschlossenen Häusern gestohlen hatte.[47] Aber auch „geringfügige“ Taten, etwa das Hören verbotener Radiosendungen, führten wiederholt zu Verurteilungen.[48] So wurde etwa Dr. S. am 16. Februar 1944 wegen des Abhörens von Feindsendern zu einer Zuchthausstrafe von „nur“ drei Jahren verurteilt, da er nicht als „Volksschädling“, sondern als ein Mann angesehen wurde, der den nationalsozialistischen Staat bejaht, aber gefehlt habe.[49] In einem Urteil vom 3. September 1941, in dem das Abhören ausländischer Sender mit einer Zuchthausstrafe von fünf Jahren geahndet wurde, führte das Sondergericht aus, dass frühere Milderungsgründe, die darin gefunden werden konnten, dass in der Zeit vor dem Krieg das Abhören von Nachrichten des Straßburger Senders in manchen Kreisen sehr häufig gewesen sei, jetzt völlig weggefallen seien, weil die deutschen Volksgenossen nach zwei Jahren Kriegsführung erkannt haben müssten, wie wahr unsere eigenen und wie verlogen die Berichte des feindlichen Auslandes seien.[50]

Anfang März 1944 wurde eine Frau wegen des Diebstahls eines Damenkleides aus einem beschädigten Paket auf dem Güterbahnhof als „Volksschädling“ zu einer Zuchthausstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt.[51] Harte Bestrafungen wechselten sich dabei durchaus auch mit vergleichsweise eher geringen Strafen ab.[52] Milde Bestrafungen wurden teilweise freilich durch höhere Instanzen oder das Reichsjustizministerium beanstandet. So änderte das Reichsgericht beispielsweise die Verurteilung eines 16-jährigen Saarbrückers wegen Mordes zu zehn Jahren Gefängnis in ein Todesurteil ab.[53]

Am 3. April 1944 stand B., ein Jugendfreund und Unterstützer Willi Grafs vor dem Landgericht Saarbrücken. Ihm konnte jedoch nicht nachgewiesen werden, dass er Graf bei der Verteilung seiner Flugblätter unterstützt hatte. Zwar war nachzuweisen, dass B. am 22. Januar 1943 auf die Verteilung der Flugblätter angesprochen wurde. Das Gericht glaubte jedoch, dass B. hierauf gesagt habe: „Das ist aber ziemlich stark“ und eine Mitwirkung an der Verteilung abgelehnt habe. Wegen Nichtanzeige eines hochverräterischen Unternehmens wurde er zu einer Haftstrafe von lediglich drei Monaten verurteilt.[54]

Verfahren nach dem 2. Weltkrieg

Nach dem Krieg war das Landgericht Saarbrücken allerdings auch entscheidend an der Aufarbeitung des NS-Unrechts beteiligt. So wurden vor dem Landgericht zahlreiche Verfahren wegen Straftaten zum Nachteil von Juden in der Pogromnacht vom 9. November 1938 geführt. Am 1. Dezember 1947 standen beispielsweise[55] 15 Angeklagte vor Gericht, denen die Beteiligung an dem Pogrom in Losheim vorgeworfen wurde, bei dem am 10. November 1938 die jüdische Familie H. insgesamt dreimal von einer größeren Menschenmenge in ihrem Haus heimgesucht wurde, bis das Ehepaar H. einen Suizidversuch unternahm. Neun Angeklagte wurden zu Gefängnisstrafen zwischen zwei und zwölf Monaten verurteilt, ein Angeklagter zu drei Jahren Zuchthaus.[56] Am 24. Januar 1950 mussten sich 17 Angeklagte vor Gericht verantworten, denen vorgeworfen wurde, sich an der Zerstörung der Synagoge in Homburg und der Durchsuchung und Demolierung von Wohnungen und Geschäften im Zusammenhang mit der Pogromnacht beteiligt zu haben.[57] 11 Angeklagte wurden zu Freiheitsstrafen zwischen drei und sieben Monaten verurteilt, die übrigen mangels Beweises freigesprochen. In zweiter Instanz wurden die Strafen teilweise abgemildert und ein weiterer Angeklagter freigesprochen.[58] Insgesamt führte die Pogromnacht nach dem Krieg im Saarland zu Strafverfahren gegen 239 Tatverdächtige, von denen 124 Personen für schuldig befunden wurden.[59] Die höchste Strafe, die in drei Fällen wegen der Novemberpogrome im Saarland ausgesprochen wurde, belief sich auf drei Jahre Zuchthaus.[60] Weitere Verfahren hatten Schändungen und Beschädigungen jüdischer Friedhöfe[61] sowie sonstige NS-Verbrechen[62] zum Gegenstand.

Wiederholt hatte sich das Landgericht mit Restitutionsklagen emigrierter Juden zu befassen. Die für diese Verfahren eingerichtete Restitutionskammer beschäftigte sich etwa am 25. August 1948 ausführlich mit der Spoliationsverordnung vom 10. November 1947. Ein Jude hatte am 28. Oktober 1935 die Firma M. samt dem Betriebsgrundstück verkauft und war nach Frankreich ausgewandert. Mit seiner Klage machte er die Nichtigkeit des Übertragungsvertrags geltend. Nach der Spoliationsverordnung war die Nichtigkeit von mit Zustimmung des Eigentümers vorgenommenen Verfügungen auszusprechen, wenn diese Zustimmung nur unter dem Einfluss physischen oder moralischen Zwanges erteilt wurde. Das Vorhandensein eines solchen Zwanges wurde für den Abschluss von Rechtsgeschäften vermutet, die seit dem 30. Januar 1933 vorgenommen wurden und sich auf Rechtsgüter solcher Personen bezogen, deren Situation von diskriminierenden Maßnahmen betroffen wurde. Die Kammer bejahte diese Voraussetzungen. Zwar habe es bis zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch keine schwerwiegenden diskriminierenden Maßnahmen im Saarland gegeben. Ungeachtet des römischen Abkommens habe jedoch jeder hier lebende Jude, dem durch Presse und andere Nachrichtenquellen der sich täglich steigernde Antisemitismus des NS-Regimes bekannt gewesen sei, mit systematischen Judenverfolgungen gerechnet. Es sei deshalb menschlich nur allzu begreiflich, wenn Juden aus dieser Lage keinen anderen Ausweg gesehen hätten als die Veräußerung ihrer saarländischen Vermögenswerte und die Emigration. Bei der Feststellung der für den Beweis des Individualzwangs aufzustellenden Erfordernisse sei von der allgemeinen Erfahrung auszugehen, wie sie aufgrund der im NS-Staate vorgenommenen Maßnahmen und ihrer Auswirkungen gewonnen wurde. Danach habe ein Erfahrungssatz bestanden, wonach jedes einzelne Mitglied der verfolgten Personengruppe bei seinen Handlungen und Maßnahmen unter dem durch die allgemeinen antisemitischen Ausschreitungen und Boykottmaßnahmen geschaffenen Drucke stand, mit dem die Gruppe als solche bedroht war. Der Kläger genüge daher seiner Beweispflicht, wenn er seine Zugehörigkeit zu einer solchen Personengruppe nachweise.[63] Andere Verfahren endeten im Vergleichswege unter Zahlung einer Geldentschädigung.[64]

1962 begann vor dem Schwurgericht eine Reihe von Prozessen wegen NS-Verbrechen zum Nachteil von Juden. Nach zwei Monaten Dauer endete am 25. Juni 1962 der Prozess gegen den kaufmännischen Angestellten K. und den Kriminalobermeister P. Ihnen war vorgeworfen worden, in den Jahren 1942 und 1943 im besetzten Gebiet von Galizien als Angehörige der deutschen Sicherheitspolizei jüdische Bürger getötet zu haben.[65] Das Gericht hielt es für erwiesen, dass K. gewusst habe, was mit den Juden geschehen sei. In der Mehrzahl der Anklagepunkte folgte die Kammer den Angaben der Belastungszeugen und verurteilte K. wegen Mordes in neun Fällen, versuchten Mordes in sechs Fällen und Beihilfe zum Mord in einem Fall zu lebenslangem Zuchthaus. In einem Anklagepunkt sprach es den Angeklagten frei, da der Zeuge in der Hauptverhandlung eine andere Darstellung als in der Voruntersuchung gegeben hatte. In den als versuchter Mord qualifizierten Fällen war aufgrund der Zeugenaussagen nicht verlässlich feststellbar, ob die angeschossenen Juden tatsächlich getötet worden seien. Hinsichtlich einer Erschießung von 28 Juden berief sich K. auf Befehlsnotstand. Die Kammer folgte dem nicht, da der Angeklagte gewusst habe, dass kein Gericht die Menschen zum Tode verurteilt habe und sich der Angeklagte innerlich nicht gegen den Auftrag gesträubt habe. Auch die Einlassung, der Angeklagte könne die Taten im Zeitraum Juni bis August 1943 nicht begangen haben, da er an einer Lungenentzündung erkrankt gewesen sei, hielt das Gericht für widerlegt. K. habe aus niedrigen Beweggründen gehandelt. P. hingegen wurde aus Mangel an Beweisen freigesprochen.[66] Ein Prozessbeobachter kommentierte, das Verfahren sei fair gewesen. Kaum einer der jüdischen Zeugen habe den Gerichtssaal verlassen ohne zu betonen, dass er keine Rachegedanken hege. Ihnen sei es lediglich um die historische Wahrheit gegangen. Des Weiteren notierte er allerdings auch, dass der Prozess in der Öffentlichkeit wenig Beachtung gefunden habe.[67]

Nach 64 Verhandlungstagen endete am 29. Juni 1971 der Prozess gegen den ehemaligen SS-Obersturmführer G. Ihm war Mord in 22 Fällen zur Last gelegt worden. Das Schwurgericht verurteilte ihn wegen Mordes in drei Fällen zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Es sah es als erwiesen an, dass G. in den Deutschen Ausrüstungswerken in Lemberg einen Zahnarzt niederschlug und zu Tode trat, als sich dieser widerrechtlich in der Tischlerwerkstätte aufwärmte. Ferner habe der Angeklagte einen Häftling, der bestritten habe Jude zu sein, zu Boden geschlagen und so lange auf Hals und Gesicht geschlagen, bis er tot gewesen sei. Ein weiterer jüdischer Häftling sei mit der Peitsche zu Boden geschlagen worden, da er nicht fleißig genug gearbeitet habe. Er sei ebenfalls zu Tode getreten worden. Die Kammer konnte sich davon überzeugen, dass der Angeklagte diese Taten eigenverantwortlich begangen habe. In weiteren Fällen, in denen die Zeugen stark emotional beeinflusst waren, wurde der Angeklagte aus Mangel an Beweisen freigesprochen.[68]

Nach 108 Verhandlungstagen in 17 Monaten verurteilte das Landgericht Saarbrücken am 10. Juli 1978 den SS-Angehörigen H. wegen Mordes in drei Fällen und wegen Beihilfe zum Mord in fünf Fällen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. H. war vorgeworfen worden, 1943 in 80 Fällen Juden im Zwangsarbeitslager in Lemberg (Galizien) ermordet zu haben. Das Gericht schilderte den Angeklagten als einen normalen Bürger mit einem ausgeprägten Gehorsamsdenken.[69] In vielen Anklagepunkten konnte der Tatvorwurf nicht nachgewiesen werden. In einem Anklagepunkt, in dem dem Angeklagten zur Last gelegt worden war, in eine Gruppe von Maurern geschossen zu haben, die bei der Lagerküche an einem Neubau gearbeitet hatten, hatte sich der Angeklagte dahin eingelassen, er habe auf Befehl des Lagerleiters geschossen und unter starker alkoholischer Beeinflussung gestanden. Die Kammer beurteilte diesen Sachverhalt als Beihilfe zum Mord und verneinte einen Befehlsnotstand. Der Angeklagte habe die Tat als eigene gewollt.[70]

Das Statut des bis 1956 autonomen Saarlandes brachte auch einige völkerrechtlich interessante Entscheidungen des Landgerichts hervor. So entschied das Landgericht etwa am 26. November 1951, dass das im Saarland gelegene Vermögen des Preußischen Staates Eigentum des Saarlandes geworden sei.[71] In einer anderen Entscheidung hatte das Landgericht den Begriff des Kriegsendes auszulegen.[72]

Im Jahr 1955 standen drei Angeklagte vor dem Landgericht, denen vorgeworfen wurde, mehrfach Exemplare der in Deutschland herausgegebenen „Deutschen Saar-Zeitung“ verteilt zu haben und dadurch gegen die Verordnung betreffend die vorläufige Regelung des Pressewesens vom 9. März 1948 verstoßen zu haben. In seinem Urteil vom 11. Juli 1955[73] kam das Landgericht zu dem Ergebnis, dass jene Verordnung nichtig sei, da es der Landesregierung an einer Kompetenz zum Erlass einer solchen Verordnung fehle. Das Übergangsgesetz vom 7. Februar 1948 habe die Regierung des Saarlandes nur zu gesetzgeberischen Maßnahmen ermächtigt, die zu bestimmten Zwecken, u.a. zur Anpassung der bestehenden Gesetze und Rechtsvorschriften an die Bestimmungen der saarländischen Verfassung erforderlich waren. Daran fehle es hier jedoch. Das Pressegesetz vom 7. Mai 1874 sei Landesrecht geworden und als zulässige gesetzliche Beschränkung neben Art. 5 der Saarländischen Verfassung getreten, ohne dass ein Widerspruch zwischen Art. 5 der Saarländischen Verfassung und dem Pressegesetz ersichtlich seien.

Von den Kriminalprozessen der Nachkriegszeit kann der am 4. Juni 1948 beginnende Prozess gegen den Bürgermeister von Bexbach K. als außergewöhnlich bezeichnet werden.[74] K. galt als überzeugter Kommunist und guter Bekannter des späteren SED-Chefs Erich Honecker. Nach dem Kriegsende wurde er von der amerikanischen Besatzungsmacht als Bürgermeister eingesetzt. Ihm wurde zur Last gelegt, am 20. April 1945 den Polizeimeister Ke. erschossen zu haben, da dieser von Schwarzschlachtungen und Schwarzmarkt-Fahrten des K. gewusst habe und durch eine Anzeige den Verlust der Bürgermeisterstellung von K. hätte herbeiführen können. Im Rahmen eines Indizienprozesses wurde K. wegen Mordes zum Tode verurteilt. Sein mutmaßlicher Komplize N. erhielt eine Zuchthausstrafe von 14 Jahren wegen versuchten Mordes. Die Strafe des K. wurde in eine lebenslängliche Freiheitsstrafe umgewandelt. K. beteuerte stets seine Unschuld. Er stellte insgesamt 50 erfolglose Wiederaufnahme­anträge. Am 30. September 1969 floh K. in einer Mülltonne versteckt aus der JVA. Zwei Tage später meldete er sich über die BILD-Zeitung bei dem saarländischen Justizminister, der eine persönliche Prüfung seines Falles zusagte. Anschließend ließ sich K. abführen. Der 51. Wiederaufnahmeantrag K.‘s hatte Erfolg. Am 4. Dezember 1973 begann der Wiederaufnahmeprozess. Der Schuldspruch wurde jedoch bestätigt. K. musste indes keine weitere Strafe mehr verbüßen. [75]

Am 20. Juni 1955 wurde vor dem Landgericht ein Fall versuchter Richterbestechung verhandelt. Der Angeklagte hatte in einem Zivilrechtsstreit den Vorsitzenden Richter in seiner privaten Wohnung aufgesucht. Nachdem dieser eine Unterhaltung über den schwebenden Prozess abgelehnt hatte, ließ der Angeklagte eine leere Reklamebrieftasche seiner Firma im Wert von 850 Fr. mit der Bemerkung zurück, er erlaube sich, dem Zeugen ein Präsent seiner Firma zu machen. Auf den Hinweis, dass die Annahme eines Geschenkes unstatthaft sei, nahm der Angeklagte die Brieftasche wieder an sich. Später erschien der Angeklagte erneut, stellte in der Diele einen Karton mit 6 Flaschen Champagner im Wert von etwa 3.000 Fr. ab und erklärte der Ehefrau des Richters, er wolle ihren Ehemann in die seinen Kunden zugedachte Weihnachtsgratifikation einschließen, weil dieser sich seiner Sache sehr angenommen habe und an dem Ausgang des Prozesses doch nicht mehr zu zweifeln sei. Auf den Hinweis der Ehefrau nahm er jedoch auch dieses Geschenk wieder mit. Hinsichtlich des ersten Tatkomplexes verneinte die Kammer[76] eine versuchte Richterbestechung, da dem Angeklagten der Versuch einer unerlaubten Beeinflussung nicht nachzuweisen sei. Hinsichtlich des zweiten Tatkomplexes nahm die Kammer zwar eine versuchte Richterbestechung an. Jedoch sei der Angeklagte von dieser freiwillig zurückgetreten, da er nicht das Geringste getan habe, um die Ehefrau zu einer Entgegennahme des Präsentes zu bewegen und sie zu überreden, es ihrem Ehemann anzubieten. Vielmehr habe er dieses bei der ersten Abwehr der Ehefrau mit Entschuldigungen wieder an sich genommen. Ganz straffrei kam der Angeklagte allerdings nicht davon. Denn die Kammer sah in dem zweiten Tatkomplex eine Beleidigung des Vorsitzenden Richters erfüllt, da er zu erkennen gegeben habe, dass er den Richter trotz der früheren Warnung für käuflich gehalten habe. Das Strafmaß belief sich auf drei Monate.

Am 21. Mai 1964 begann vor der Ersten Großen Strafkammer der Prozess gegen 13 technische Angestellte der Grube Luisenthal wegen fahrlässiger Tötung bzw. fahrlässiger Körperverletzung. Am 7. Februar 1962 hatte sich im Alsbachfeld der Grube Luisenthal eine Schlagwetter- bzw. Kohlenstaubexplosion ereignet, bei der 299 Bergleute ums Leben kamen. Bereits in ihrer Anklage war die Staatsanwaltschaft davon ausgegangen, dass sich eine strafrechtliche Verantwortlichkeit für das Entstehen der Explosion nicht habe nachweisen lassen. Jedoch wäre es möglich gewesen, das Ausmaß der Explosion zu begrenzen.[77] Das Verfahren wurde aus Platzgründen im Sitzungssaal der Handwerkskammer durchgeführt. Am 9. Juli 1964 beantragten Staatsanwaltschaft und Nebenklage den Freispruch mangels Beweises[78], am 13. Juli 1964 wurden alle Angeklagten freigesprochen. Das Gericht hatte sich davon überzeugt, dass eine von fünf beanstandeten Staubsperren vorhanden gewesen sei, hinsichtlich einer weiteren Sperre sei nicht aufklärbar gewesen, ob sie vorhanden gewesen sei. Die drei weiteren Sperren hätten die Explosion jedoch nach Auffassung der Sachverständigen mit mehr oder weniger großer Wahrscheinlichkeit nicht aufhalten können. Die Wetterabteilung sei zwar überbelegt gewesen. Dies könne jedoch nicht zu Lasten der Angeklagten gehen. Sie hätten der Auffassung sein müssen, dass ihre Einteilung richtig sei, da in keinem einzigen Fall diesbezügliche Beanstandungen seitens der Bergbaubehörde erfolgt seien.[79]

Als ein besonders aufwändiges Verfahren ist Zeitzeugen das Verfahren gegen einen saarländischen Bauunternehmer und seine Ehefrau in Erinnerung, die 1965 vor dem Landgericht Saarbrücken und später in separaten Verfahren vor den Landgerichten Köln und Trier angeklagt wurden. Das Verfahren hatte zu einer umfangreichen Beweisaufnahme Anlass gegeben, in deren Rahmen das Gericht mehrtägige Dienstreisen zu auswärtigen Landgerichten unternahm, um nicht reisefähige Zeugen zu vernehmen. Erst am 20. April 1972 wurde das Verfahren – nachdem eine erste Revision der Angeklagten Erfolg hatte – rechtskräftig mit Schuldsprüchen abgeschlossen.

Der Prozess um den Soldatenmord in Lebach zählt nach wie vor zu den bekanntesten Verfahren vor dem Landgericht Saarbrücken. Am 20. Januar 1969 wurden bei einem Überfall auf das Fallschirmjägerbataillon in Lebach vier Soldaten im Schlaf getötet. Es folgte eine der größten Fahndungen der Bundesrepublik Deutschland. Es gab zunächst Spekulationen über einen Anschlag mit terroristischem Hintergrund. Die Anklage unterbreitete jedoch einen anderen Sachverhalt. Drei Männern aus Rheinland-Pfalz wurde vorgeworfen, die Tat begangen zu haben, um sich durch Erpressungen die nötigen Geldmittel zur Verwirklichung ihres Traums von einer Lebensgemeinschaft außerhalb der Gesellschaft im Süden oder auf einem Schiff zu beschaffen. Der Prozess geriet zum medialen Großereignis. Über 200 Prozessbeobachter hatten sich angemeldet, als das Verfahren am 1. Juli 1970 begann. Um dem großen Interesse der Öffentlichkeit gerecht zu werden, wurde der Prozess vor rund 800 Zuschauern im Großen Saal der Kongresshalle eröffnet. Im weiteren Verlauf nahmen jeweils rund 1.000 Zuschauer an den Verhandlungen teil. Die große Zuschauerzahl führte wiederholt zu Unruhe im Saal. Nach ein paar Tagen wurde der Zutritt auf 400 Personen beschränkt.[80] Einlasskarten wurden ausgegeben und die Empore gesperrt.[81] In den Verhandlungspausen wurden die Angeklagten in eigens für diesen Prozess angefertigten Eisenkäfigen untergebracht.[82] Die Stadt Saarbrücken hatte auf den Plätzen der Pressevertreter Werbemappen des Amtes für Wirtschafts- und Verkehrsförderung ausgelegt.[83] Der Prozess wurde gar im Veranstaltungskalender der Stadt ausgewiesen.[84] Die Gestaltung der Prozessöffentlichkeit blieb nicht ohne Kritik. Der Landgerichtspräsident wies Vorwürfe zurück, der Prozess sei wie ein Schauprozess inszeniert worden.[85] Am 7. August 1970 verurteilte die Kammer zwei Angeklagte wegen gemeinschaftlichen Mordes in vier Fällen in Tateinheit mit schwerem Raub und versuchter Erpressung zu lebenslänglichen Freiheitsstrafen. Der dritte Angeklagte wurde wegen Beihilfe zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Auch nach Abschluss der Instanz gab der Prozess Anlass zu Diskussionen. So wurde die Frage aufgeworfen, ob es in Mordfällen der lebenslänglichen Haft bedürfe oder es genüge, zu zeitlich begrenzten Strafen überzugehen.[86] Nur wenige Stimmen thematisierten, inwiefern sich die damalige gesellschaftliche und (straf)rechtliche Ächtung der Homosexualität auf das Zustandekommen der Tat und ihre gerichtliche Aufarbeitung ausgewirkt hat.[87] Die breite Öffentlichkeit interessierte sich offenbar mehr für die Frage, ob eine Prominenten-Wahrsagerin, die nach einer Ausstrahlung der Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ einen maßgeblichen Hinweis auf die Identität der Täter geben konnte, die Auszahlung der ausgelobten Belohnung verlangen konnte.[88]

Am 23. August 1974 strengte der Unternehmer G. vor dem Landgericht Saarbrücken eine Amtshaftungsklage gegen die Stadt Saarbrücken an. G. hatte 1971 mit der Stadt Saarbrücken Verhandlungen über eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Einkaufsmarktes geführt. Nach den Kommunalwahlen 1974 verlangte die Stadt von G. die Vorlage einer Bankbürgschaft über 4.500.000 DM zur Deckung der Erschließungskosten und verweigerte, da G. diese nicht beibrachte, schließlich die Baugenehmigung. Am 21. März 1975 wies das Landgericht die Klage ab. Es sah keine Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung der Stadt. Damals war kaum absehbar, wie lange der Streit die Justiz noch beschäftigen würde. Insgesamt fünfmal gelangte die Sache in der Folge zum Bundesgerichtshof, dreimal hatte sich das Bundesverfassungsgericht mit dem Fall G. zu befassen. Am 24. April 2003 wies der Bundesgerichtshof den Revisionsantrag des Klägers gegen das Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 20. November 2001 ab. In der Folge machte G. Ansprüche gegen das Saarland wegen der außergewöhnlichen Dauer des Verfahrens geltend. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte durch Urteil vom 5. Oktober 2006[89] eine Verletzung von Art. 6 EMRK fest, sprach dem Kläger jedoch lediglich einen immateriellen Schadensersatz von 45.000,00 € sowie 14.000,00 € Kosten und Auslagen zu. Der Kläger hatte rund 280.000.000,00 € Schadensersatz geltend gemacht.

In den 80er-Jahren musste sich das Landgericht mit der strafrechtlichen Beurteilung einer Schlagwetterexplosion in der Grube Camphausen befassen, bei der am 16. Februar 1986 sieben Bergleute starben. Das Landgericht Saarbrücken lehnte jedoch bereits die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Staatsanwaltschaft wurde im Dezember 1988 vom Saarländischen Oberlandesgericht zurückgewiesen.

Über die Landesgrenzen hinaus erregte in den Jahren 1995 bis 1997 der Strafprozess gegen den Angeklagten L. Aufsehen. Ihm wurde zur Last gelegt, den im Spätsommer 1995 verschwundenen Kaufmann W. aus Habgier ermordet zu haben. Der Verdacht fiel auf L., weil sich dieser in Besitz des Autos und eines angeblich von W. ausgestellten Wechsels über 1,6 Mio. Mark befand. Die Leiche des Opfers wurde jedoch nie gefunden. Am 16. Januar 1995 begann das Strafverfahren unter hohen Sicherheitsvorkehrungen, da dem Angeklagten bereits in den 80er Jahren auf spektakuläre Weise die Flucht aus der Justizvollzugsanstalt Saarbrücken gelungen war. Am 20. März 1997 verurteilte das Schwurgericht den Angeklagten nach 103 Prozesstagen zu lebenslanger Haft.[90] Großes Presseecho über die Landesgrenzen hinweg fand der Prozess nicht zuletzt aufgrund von Gerüchten, der damals dem Rotlicht-Milieu zugeordnete Angeklagte verfüge über gute Kontakte zu führenden Politikern in die saarländische Politik und befinde sich womöglich in Besitz kompromittierender Fotos.[91] Solche sind allerdings nie aufgetaucht. Von juristischem Interesse war die Frage, ob der Angeklagte nach dem Schengener Durchführungsabkommen überhaupt in Deutschland verurteilt werden durfte, nachdem die französischen Gerichte das Verfahren gegen ihn 1990 mangels Tatnachweises eingestellt hatten. Nach Einholung einer Auskunft des französischen Justizministeriums folgte der Bundesgerichtshof schließlich dem Landgericht Saarbrücken und bestätigte die Verurteilung, da der Entscheidung des französischen Gerichts nur bedingte Rechtskraft zukomme.[92]

Von 1996 an hatte sich das Landgericht gleich mehrfach mit einem kontro­versen Strafverfahren wegen eines Tötungsdelikts zu befassen.[93] Die Lebens­gefährtin des Angeklagten, die klare Trennungsabsichten geäußert hatte, verabredete sich am 22. September 1995 mit dem Angeklagten in einem abgelegenen Wochenendhaus. In der Nacht zum 23. September starb sie durch einen Kopfstreckschuss aus der Schusswaffe des alkoholisierten Angeklagten. Das Amtsgericht Saarbrücken verurteilte den Angeklagten zunächst aufgrund seiner geständigen Einlassungen und des Obduktionsgutachtens wegen fahrlässiger Tötung zu einer Bewährungsstrafe. Der Angeklagte habe das Opfer mit dessen Einverständnis im Rahmen eines Sexspiels gefesselt und mit einem Revolver herumgefuchtelt. Ihm sei jedoch nicht nachzuweisen, dass er gewusst habe, dass der Revolver geladen war. Auf die Berufung des Bruders der Verstorbenen fand vor der Kleinen Strafkammer des Landgerichts eine Beweisaufnahme statt. Die Kleine Strafkammer gelangte dabei zu dem hinreichenden Tatverdacht eines vorsätzlichen Tötungsdelikts und gab das Verfahren an das Schwurgericht ab. Im Rahmen einer mehrtägigen Verhandlung führte das Schwurgericht eine umfangreiche Beweisaufnahme unter Hinzuziehung eines rechtsmedizinischen, eines psychiatrischen und eines waffenkundlichen Sachverständigen durch und beleuchtete das Vorleben des Angeklagten. Auf der Grundlage der erhobenen Beweise in Verbindung mit den Einlassungen des Angeklagten gelangte das Gericht zu der Überzeugung, dass es sich hier nicht um einen Unfall bei einem Sexspiel, sondern um einen Mord gehandelt habe. Es verurteilte den Angeklagten zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe und stellte die besondere Schwere der Schuld fest. Hiergegen legte der Angeklagte Revision ein. Mit Beschluss vom 22. September 1998 hob der Bundesgerichtshof die Feststellungen des Landgerichts zum inneren Tatgeschehen auf. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen hatten jedoch Bestand. In der neuen Verhandlung vor dem Landgericht Saarbrücken riet der Verteidiger des Angeklagten diesem aus taktischen Gründen, die Tat nun als vorsätzliche Affekttat darzustellen.[94] In der Folge kam es zu einem Rechtsgespräch mit dem Gericht, über dessen Inhalt unterschiedliche Wahrnehmungen bestehen. In der Folge setzte die Kammer die Beweisaufnahme fort und gelangte erneut zu einer Verurteilung wegen Mordes. Ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens – soweit es in Rechtskraft erwachsen war – hatte keinen Erfolg. Auf die erneute Revision des Angeklagten hin änderte der Bundesgerichtshof jedoch den Schuldspruch der 2. Großen Strafkammer von Mord auf Totschlag ab. Schließlich wurde der Angeklagte von der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.[95] Besondere Aufmerksamkeit erlangte das Verfahren durch seine Behandlung in einem Buch des Verteidigers, der den Angeklagten vor der 2. und 3. Großen Strafkammer vertreten hatte. Dieser erhob den schweren Vorwurf, eine Zeugenaussage sei verdreht worden, sprach von Justizkumpanei und Rechtsbeugung. Der Präsident des Landgerichts stellte gegen den Verteidiger Strafantrag wegen Beleidigung bzw. Verleumdung, wobei insbesondere beanstandet wurde, dass die namentlich genannten Richter des Landgerichts in die Tradition der Rechtsbrecher zur Zeit des Nationalsozialismus gestellt bzw. mit ihnen verglichen worden seien. Im Ergebnis hatten die von dem Verteidiger erstatteten Strafanzeigen wegen Rechtsbeugung ebenso wenig Erfolg wie die von dem Präsidenten des Landgerichts erstattete Anzeige.

Am 22. März 2004 verurteilte das Landgericht Saarbrücken den früheren Oberbürgermeister von Saarbrücken in zweiter Instanz wegen Untreue zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen und löste den Rücktritt des Politikers aus.[96] Vorangegangen war eine umfangreiche Beweisaufnahme mit zahlreichen Verhandlungsterminen in erster Instanz.

In dem wohl spektakulärsten Strafprozess der jüngeren Geschichte des Landgerichts stand der Vorwurf des Mordes zum Nachteil eines am 30. September 2001 vermisst gemeldeten fünfjährigen Jungen im Mittelpunkt. Im Oktober 2003 wurde ein als geistig zurückgeblieben bezeichneter, geständiger Mann wegen sexuellen Kindesmissbrauchs zum Nachteil dieses und eines weiteren Kindes zu einer Haftstrafe von sieben Jahren und Sicherungsverwahrung verurteilt.[97]

Am 19. Februar 2004 erhob die Staatsanwaltschaft dann Anklage gegen die Wirtin einer früheren Bierklause sowie zwölf weitere Personen im Umfeld der Kneipe. Ihnen wurde teilweise Mord, schwerer sexueller Missbrauch und Vergewaltigung, teilweise Beihilfe zum schweren sexuellen Missbrauch bzw. zum Mord vorgeworfen. Die Anklage stützte sich zunächst vor allem auf mehrere geständige Einlassungen. Objektive Beweismittel, etwa Körpermaterial, gab es jedoch nicht. Auch der Leichnam des Opfers wurde trotz wiederholter intensiver Suche in einer Kiesgrube in Frankreich nicht gefunden. Am 20. September 2004 begann die Hauptverhandlung vor dem Schwurgericht. Doch das zunächst nur mit wenigen Verhandlungstagen geplante Verfahren geriet ins Stocken. Die Verteidigung zog den Beweiswert der Geständnisse im Hinblick auf das teilweise problematische Persönlichkeitsbild der Angeklagten in Frage. Zudem sahen sich die Vernehmungsbeamten dem Vorwurf ausgesetzt, die Angeklagten mit unzulässigen Methoden unter Druck gesetzt zu haben. Noch im November 2004 wurden zwei Mitangeklagte mangels Tatverdachts aus der Untersuchungshaft entlassen. Im Juni 2005 widerrief ein Angeklagter sein Geständnis. Im Juli 2005 beteuerte eine der Hauptangeklagten ihre Unschuld. Am 10. Oktober 2005 hob das Landgericht die Haftbefehle gegen zunächst drei Angeklagte mangels dringenden Tatverdachts auf. Im Dezember 2005 widerriefen vier weitere Angeklagte ihre Einlassungen. Am 3. April bzw. 12. Juni 2006 wurden die weiteren Angeklagten aus der Untersuchungshaft entlassen. Am 31. August 2006 widerrief eine der Hauptangeklagten ihre Einlassungen.[98]  Zwischenzeitlich erschien sogar fraglich, ob der Prozess überhaupt zum Abschluss gebracht werden könne, da der Vorsitzende der Kammer erkrankt war. Auch die hohen, durch die Beiordnung von Pflichtverteidigern entstehenden Kosten gerieten in den Blickpunkt der öffentlichen Diskussion.[99]

Nach 147 Verhandlungstagen und knapp 300 Zeugenvernehmungen sprach das Landgericht die Angeklagten am 7. September 2007 im Hauptvorwurf frei. Das Gericht legte dar, dass zwar gewichtige Übereinstimmungen in den Einlassungen der Mitangeklagten für die Schuld der Angeklagten sprächen. Jedoch begründeten der Mangel an objektiven Beweismitteln und das problematische Persönlichkeitsbild der Betroffenen Zweifel, zumal die Angeklagten nicht einschlägig vorbestraft seien und der konkret zur Last gelegte Tathergang nicht nahe liege.[100]

Das Urteil traf in der Öffentlichkeit auf unterschiedliche Reaktionen. Diese reichten von Verständnis und Zustimmung bis hin zu deutlicher Kritik, wie sie beispielsweise die Prozessbeobachterin des Spiegels äußerte.[101] Am 13. Januar 2009 verwarf der BGH die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil.[102]

In jüngster Zeit hatte sich das Landgericht Saarbrücken mit Fragen des Bergrechts zu befassen. Mit Urteil vom 3. Juli 2009[103] wies das Landgericht eine Klage ab, mit der die Klägerin eine billige Entschädigung in Geld wegen psychischer Probleme infolge wiederkehrender, bergbaubedingter Erderschütterungen begehrt hatte. Die Kammer entschied, die von der Klägerin zu duldenden Einwirkungen unterfielen dem Bergschadensausschluss des Bundesberggesetzes. Die Beeinträchtigungen seien zu dulden, da sie ortsüblich seien, mit wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen nicht verhindert werden könnten und der Abbau aufgrund behördlicher Genehmigung erfolgt sei. Die hiergegen gerichtete Revision blieb im Ergebnis erfolglos.[104]

Ausblick

Im Laufe seiner wechselvollen Geschichte hat das Landgericht Saarbrücken die saarländische Rechtsprechung maßgeblich mitgeprägt. Der Überblick über die Rechtsprechung des Gerichts in 175 Jahren zeugt nicht zuletzt auch von den Herausforderungen, denen sich die Justiz in dieser Zeit stellen musste – von den Wirkungsmechanismen gesellschaftlicher und politischer Konventionen des 19. Jahrhunderts über die Rechtsanwendung im nationalsozialistischen Unrechtsstaat bis hin zu den auch heute noch – nicht nur vom Landgericht Saarbrücken – zu bewältigenden tatsächlichen Schwierigkeiten, trotz modernster Ermittlungsmethoden relevante Sachverhalte verlässlich aufzuklären. Diese Erfahrungen der Vergangenheit sind zugleich Verpflichtung für die Zukunft der richterlichen Tätigkeit am Landgericht Saarbrücken.

[1] Mein besonderer Dank für wertvolle Hinweise gilt Herrn K.H. Bubel und Herrn L. Riefer.

[2] Scheidgen, Der deutsche Katholizismus in der Revolution von 1848/49 – Episkopat – Klerus – Laien – Vereine, 2008, S. 222.

[3] Scheidgen aaO, S. 223.

[4] Mallmann/Steffens, Lohn der Mühen – Geschichte der Bergarbeiter an der Saar, S. 72 f.

[5] Der Beleidigungs-Proceß der Bergleute Warken, Bachmann, Müller, Altmeyer, Strauß und Becker vor der Königlichen Strafkammer Saarbrücken, 1890, S. 3.

[6] Der Beleidigungs-Proceß der Bergleute Warken, Bachmann, Müller, Altmeyer, Strauß und Becker vor der Königlichen Strafkammer Saarbrücken, 1890, S. 3.

[7] Der Beleidigungs-Proceß der Bergleute Warken, Bachmann, Müller, Altmeyer, Strauß und Becker vor der Königlichen Strafkammer Saarbrücken, 1890, S. 5.

[8] Saarbrücker Zeitung vom 19. Dezember 1889.

[9] Saarbrücker Zeitung vom 16. Dezember 1889.

[10] Der Beleidigungs-Proceß der Bergleute Warken, Bachmann, Müller, Altmeyer, Strauß und Becker vor der Königlichen Strafkammer Saarbrücken, 1890, S. 32.

[11] Mallmann/Steffens, Lohn der Mühen – Geschichte der Bergarbeiter an der Saar, S. 72 f.

[12] Zum Ganzen Mallmann/Steffens aaO.

[13] Vgl. zum Nachfolgenden die Zusammenstellung: Verhandlungen der Strafkammer zu Saarbrücken gegen Ludwig Lehnen, Redakteur der Neunkircher Zeitung wegen Beleidigung des Geheimrats Hilger, des Vorsitzenden der Königl. Bergwerks-Direktion Saarbrücken und der Beamten derselben am 15., 19., 21., 22. und 23. Dezember 1903, herausgegeben von der Paulinus-Druckerei, Trier 1904.

[14] Verhandlungen der Strafkammer zu Saarbrücken gegen Ludwig Lehnen, Redakteur der Neunkircher Zeitung wegen Beleidigung des Geheimrats Hilger, des Vorsitzenden der Königl. Bergwerks-Direktion Saarbrücken und der Beamten derselben am 15., 19., 21., 22. und 23. Dezember 1903, aaO, S. 4.

[15] Verhandlungen der Strafkammer zu Saarbrücken gegen Ludwig Lehnen, Redakteur der Neunkircher Zeitung wegen Beleidigung des Geheimrats Hilger, des Vorsitzenden der Königl. Bergwerks-Direktion Saarbrücken und der Beamten derselben am 15., 19., 21., 22. und 23. Dezember 1903, aaO, S. 208 ff.

[16] Verhandlungen der Strafkammer zu Saarbrücken gegen Ludwig Lehnen, Redakteur der Neunkircher Zeitung wegen Beleidigung des Geheimrats Hilger, des Vorsitzenden der Königl. Bergwerks-Direktion Saarbrücken und der Beamten derselben am 15., 19., 21., 22. und 23. Dezember 1903, aaO, S. 213 ff.

[17] Saarabien vor Gericht – Bericht über den Prozeß Hilger gegen Krämer unter Benutzung stenographischer Aufzeichnungen, Berlin 1904, S. 7 f.

[18] So: Saarabien vor Gericht – Bericht über den Prozeß Hilger gegen Krämer unter Benutzung stenographischer Aufzeichnungen, aaO, S. 8.

[19] Saarabien vor Gericht – Bericht über den Prozeß Hilger gegen Krämer unter Benutzung stenographischer Aufzeichnungen, aaO, S. 8.

[20] Saarabien vor Gericht – Bericht über den Prozeß Hilger gegen Krämer unter Benutzung stenographischer Aufzeichnungen, aaO, S. 129 ff.

[21] Saarbrücker Zeitung vom 4. September 1922, Art. Nr. 256

[22] Saarbrücker Zeitung vom 24. Februar 1923.

[23] Saarbrücker Zeitung vom 24. Februar 1923.

[24] Saarbrücker Zeitung vom 27. Februar 1923, S. 1.

[25] Linsmayer, Der 13. Januar – Die Saar im Brennpunkt der Geschichte, 2005, S. 59.

[26] Die Tätigkeit der auch im Saarland eingerichteten Erbgesundheitsgerichte dürfte freilich aufgrund ihres speziellen Instanzenzuges das Landgericht nicht betroffen haben. Siehe zu ihrer Tätigkeit etwa Braß, Zwangssterilisation und „Euthanasie“ im Saarland 1935-1945, 2004.

[27] So Wagner in: Zehn statt tausend Jahre – Die Zeit des Nationalsozialismus an der Saar (1935-1945), 1988, S. 135.

[28] Saarbrücker Zeitung vom 12. November 1935,  Nr. 308.

[29] Wagner aaO.

[30] 1 SKMs 5/36, zitiert nach Müller, Die Rechtsprechung des Sondergerichts nach der Saarrückgliederung von 1935, in: 150 Jahre Landgericht Saarbrücken, 1985, S. 176.

[31] Conrad in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Band 23 (2004), Bleek.

[32] Conrad aaO.

[33] Vgl. Hofen, Das Bistum Speyer in den Jahren religiöser Bedrückung durch den Nationalsozialismus. Geschichtliche Notizen, Beilage zum Schematismus des Bistums Speyer 1947, Nachdruck 1980, 25 ff.; Debus, Christen und Juden und die Justiz im Dritten Reich im Oberlandesgerichtsbezirk Zweibrücken in: 175 Jahre pfälzisches Oberlandesgericht, 1190, S. 181, 194.

[34] Debus aaO, S. 181, 194.

[35] Debus aaO, S. 181, 190; s. zu den Fällen im Einzelnen auch Hofen aaO, S. 25 ff.

[36] Vgl. Hofen aaO, S. 25 ff.

[37] Vgl. etwa Urteil vom 9. Dezember 1936 – 1 SKMS 104/36.

[38] Ball Sondergerichte im Oberlandesgerichtsbezirk Zweibrücken, in: 175 Jahre pfälzisches Oberlandesgericht, 1990,  S. 227, 241.

[39] Vgl. zum Ganzen Debus aaO, S. 181, 204 m.w.N.

[40] Ball aaO, S. 227, 239.

[41] Ball aaO, S. 227, 240.

[42] Urteil vom 5. März 1936 - 1 SKMs 16/36, zitiert nach Müller aaO, S. 172.

[43] Mallmann/Paul aaO, S. 304 f.; s. hierzu auch Ball aaO, S. 227, 240.

[44] Ball aaO, S. 227, 241 f.

[45] S. hierzu Ball aaO, S. 227, 240.

[46] Mallmann/Paul aaO, S. 305; Ball aaO, S. 227, 249, spricht von 33 Todesurteilen, von denen 24 vollstreckt wurden.

[47] Saarbrücker Zeitung vom 19./20. Februar 1944.

[48] Vgl. etwa Harrecker, Degradierte Doktoren – Die Aberkennung der Doktorwürde an der Ludwig-Maximilians-Universität München in der Zeit des Nationalsozialismus, 2007, S. 173.

[49] Saarbrücker Zeitung vom 19./20. Februar 1944.

[50] Urteil vom 3. September 1941 – 15 SKLs 89/41, zitiert nach Ball, aaO, S. 227, 243.

[51] Saarbrücker Zeitung vom 2. März 1944.

[52] Vgl. Mallmann/Paul aaO, S. 306.

[53] Mallmann/Paul aaO, S. 306.

[54] Urteil vom 3. April 1944 – 3 KMs 3/44.

[55] Zu weiteren Beispielen s. etwa 11 Js 181/48, 11 Js 134/48, 11 Js 118/50 sowie 11 Js 118/48.

[56] Vgl. hierzu die ausführliche Darstellung bei Tigemann, „Was geschah am 9. November 1938?“ – Eine Dokumentation über die Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung im Saarland im November 1938, Adolf-Bender-Zentrum, St. Wendel 1998, S. 47 f.

[57] 11 KLs 24/49; vgl. hierzu auch Tigemann, aaO, S. 47 f.

[58] Tigemann aaO, S. 48.

[59] Tigemann aaO, S. 101.

[60] Tigemann aaO, S. 26.

[61] LA Saarbrücken, Best. Staatsanwaltschaft, Nr. 1534 (AZ 11 Js 1/48); vgl. hierzu auch Heidt/Lennartz, Fast vergessene Zeugen – Juden in Freudenburg und im Saar-Mosel-Raum 1321-1943, 2000, S. 459.

[62] Vgl. etwa 11 Js 144/50.

[63] Urteil vom 25. August 1948 – Y 5/48, SaarlRZ 1948, 12 f.

[64] So etwa Vergleich vom 2. November 1950 – 11 X 380/50.

[65] Saarbrücker Zeitung vom 26. Juni 1962 (Nr. 144).

[66] S. zum Ganzen Saarbrücker Zeitung vom 26. Juni 1962 (Nr. 144).

[67] Saarbrücker Zeitung vom 27. Juni 1962, Nr. 145.

[68] Zum Ganzen Saarbrücker Zeitung vom 30. Juni 1971, Seite 20.

[69] Saarbrücker Zeitung vom 11. Juli 1978.

[70] Zum Ganzen Saarbrücker Zeitung vom 11. Juli 1978.

[71] Beschluss vom 24. August 1951 – 5 T 9/51, SaarlRZ 1951, 95 f.

[72] Beschluss vom 16. April 1951 – 5 T 121/51, SaarlRZ 1951, 46.

[73] Urteil vom 11. Juli 1955 – 11 KLs 7/54, SaarlRuStZ 1946, 10 f.

[74] Vgl. zum Nachfolgenden Spitra, Die großen Kriminalfälle, 2004, S. 250 ff.

[75] S. zum Ganzen Spitra aaO, 2004, S. 250 ff.; Der Spiegel 48/1973;

[76] Urteil vom 20. Juni 1955 – 3 KLs 25/55, SaarlRuStZ 1955, 88 ff.

[77] Saarbrücker Zeitung vom 25. April 1963, S. 1; Saarbrücker Zeitung vom 22. Mai 1964, Nr. 116.

[78] Stiff-Single in: Saarbrücker Zeitung vom 10. Juli 1964.

[79] Stiff-Single in: Saarbrücker Zeitung vom 15. Juli 1964.

[80] Ulrich in: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt Nr. 33 vom 16. August 1970, S. 8.

[81] Saarbrücker Zeitung vom 7. Juli 1970.

[82] Hüther in: Rundschau vom 30. Juni 1970; Merkur vom 1. Juli 1970.

[83] Saarbrücker Zeitung vom 2. Juli 1970 (Nr. 149), Seite 4; Saarbrücker Wochenspiegel vom 2. Juli 1970.

[84] Abdullah in: Saarbrücker Zeitung vom 14. Juli 1970 (Nr. 159), S. 5.

[85] Saarbrücker Zeitung vom 10. Juli 1970.

[86] Schaller in: Saarbrücker Zeitung vom 18. August 1970.

[87] Ulrich in: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt (Nr. 33) vom 16. August 1970, S. 8.

[88] Saarbrücker Zeitung vom 18. September 1970; Merkur vom 12. September 1970; Saarbrücker Zeitung vom 7. Januar 1971; Saarbrücker Zeitung vom 9./10. Oktober 1971; B.Z. vom 9. Oktober 1971.

[89] EGMR, Urteil Nr. 66491/01; s. zuvor auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Juli 2000 – 1 BvR 352/00, NJW 2001, 214 ff.

[90] Ihl, Saarbrücker Zeitung vom 26. Januar 1993 und vom 21. März 1997.

[91] Saarbrücker Zeitung vom 1. Februar 1993.

[92] Ihl, Saarbrücker Zeitung vom 11. Juni 1999.

[93] S. zum Nachfolgenden ausführlich Bossi, Halbgötter in Schwarz – Deutschlands Justiz am Pranger, 2005, S. 61 ff.

[94] S. hierzu und zum Nachfolgenden Bossi aaO, S. 119 f.

[95] S. zum Ganzen auch Ihl, Staranwalt Bossi stellt Saar-Richter an den Pranger, SZ vom 14.05.2005.

[96] Jungmann, „Ich finde das Urteil falsch, muss es aber hinnehmen“, Saarbrücker Zeitung vom 11.12.2004.

[97] Saarbrücker Zeitung vom 18. Oktober 2003.

[98] Saarbrücker Zeitung vom 1. September 2006; s. zum Ganzen auch SR-Online Panorama, Chronik des Pascal-Prozesses; Sueddeutsche.de vom 7.9.2007: Chronologie: Der Fall Pascal..

[99] Vgl. SR-Online Panorama: Der Fall Pascal, Die Tage 111-120.

[100] Ihl, Saarbrücker Zeitung vom 8. September 2007.

[101] Vgl. Friedrichsen, Im Zweifel gegen die Angeklagten: Der Fall Pascal – Geschichte eines Skandals, 2008; zu weiteren Äußerungen aus der Öffentlichkeit s etwa Brenner, Saarbrücker Zeitung vom 10. September 2007.

[102] Urteil vom 13. Januar 2008 - IV StR 301/08.

[103] 13 S 19/09.

[104] BGH v. 23.07.2010 – V ZR 142/09.