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Landgericht Saarbrücken spricht Geldentschädigung wegen bergbaubedingter Erschütterungen zu

Landgericht Saarbrücken spricht Geldentschädigung wegen bergbaubedingter Erschütterungen zu

Mitteilung der Pressestelle

Der Kläger ist Eigentümer eines Wohnhauses in Lebach-Falscheid. Ab Ende 2000 kam es in diesem Bereich zu Erderschütterungen, die auf den untertägigen Steinkohlebergbau der Beklagten zurückzuführen sind. Mit seiner Klage hat der Kläger wegen erschütterungsbedingter Beeinträchtigungen in der Nutzung seiner Wohnung eine Entschädigung für die Zeit zwischen Januar 2005 und April 2006 in Höhe von insgesamt 2.600,- € geltend gemacht. Das Amtsgericht hat der Klage in Höhe von 1.100,- € stattgegeben. Hiergegen haben beide Parteien Berufung eingelegt.

Im Berufungsverfahren hat das Landgericht die Klage zunächst abgewiesen. Diese Entscheidung ist vom Bundesgerichtshof (BGHZ 178, 90) jedoch aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen worden. Die mittlerweile zuständige 13. Zivilkammer des Landgerichts hat der Klage jetzt in Höhe eines Betrages von 1.140,- € stattgegeben.

Dem Kläger, so hat die Kammer entschieden, steht ein Ausgleichsanspruch gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu. Nach dieser Vorschrift kann der Eigentümer eines Grundstücks von dem Benutzer eines anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn von dessen Grundstück eine Einwirkung ausgeht, die eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt. Bei den hier maßgeblichen Erderschütterungen handelt es sich nach Auffassung der Kammer um solche Einwirkungen, die auf eine ortsübliche Nutzung des Bergwerkseigentums der Beklagten zurückgehen und die im maßgeblichen Zeitraum auch nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden konnten. Allerdings führt nicht jede bergbaubedingte Erderschütterung zugleich zu einer Entschädigungspflicht. Die Entschädigungspflicht wird nur bei wesentlichen und zugleich unzumutbaren Beeinträchtigungen der Nutzung des betroffenen Grundstücks ausgelöst. Ob eine solche Beeinträchtigung nicht mehr zumutbar ist, beurteilt sich anhand einer Gesamtbetrachtung unter besonderer Berücksichtigung der Intensität der Erschütterung, deren Dauer und deren Häufigkeit. Auch dem Umstand, dass im Streitfall das klägerische Grundstück in einer Bergbaugegend und damit einer vorbelasteten Umgebung liegt, muss angemessen Rechnung getragen werden.

Danach gilt Folgendes: Ist die Intensität einer Erderschütterung so hoch, dass sie das auch in anderen Bergbaugebieten allenfalls noch übliche Maß von Erschütterungsgeschwindigkeiten von 30 mm/s bzw. den KBFmax-Wert für die Erschütterungseinwirkung auf Menschen von 30 überschreitet, spricht bereits die besondere Schwere der Erschütterung für eine unzumutbare und damit auszugleichende Einwirkung. Bei Erschütterungen unter diesem Wert entscheidet die Häufigkeit der unterschiedlich intensiven Erschütterungen über die Zumutbarkeit. Gehen dagegen die bergbaubedingten Erschütterungen über den jeweils für das betroffene Gebiet bei Tag geltenden Anhaltswert der einschlägigen DIN-Norm 4150 Teil 2 – hier Ao = 3 – nicht hinaus, wird die Zumutbarkeitsgrenze selbst dann nicht überschritten, wenn die Erschütterung zur Nachtzeit erfolgt, in der an sich ein niedrigerer Anhaltswert gilt.

Auf dieser Grundlage hat die Kammer dem Kläger für zwei Monate, in denen besonders häufige und zugleich besonders schwere Erschütterungen aufgetreten sind, einen Ausgleich in Höhe von 40% des Wohnwertes seines Hauses, dessen Höhe sich nach der geschätzten Miete bestimmt, sowie für weitere zwei Monate mit wesentlicher Beeinträchtigung einen Ausgleich in Höhe von 20% des Wohnwertes zugesprochen.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat sie die Revision zugelassen.

Urteil vom 25.11.2011 – 13 S 117/09

Amtsgericht Lebach, Urteil vom 30.3.2007  - 3A C 80/06

Saarbrücken, den 25.11.2011

– Anhang –

Bürgerliches Gesetzbuch

§ 906 Zuführung unwägbarer Stoffe

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) …

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