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Einführung der gerichtsnahen Mediation

Ministerpräsident und Justizminister Peter Müller eröffnete heute im Landgericht Saarbrücken eine Informationsveranstaltung zum Pilotprojekt „Gerichtsnahe Mediation“, zu der die saarländischen Anwältinnen und Anwälte, die Richterinnen und Richter der Pilotgerichte sowie die Vertreter der Presse eingeladen waren.

Seit Anfang des Jahres bieten das Landgericht, das Landessozialgericht sowie das Sozialgericht im Rahmen eines Pilotprojekts einen alternativen Verfahrensweg zur einvernehmlichen Beilegung anhängiger Verfahren an. Die Mediation ist ein freiwilliges, vertrauliches und damit nichtöffentliches Verfahren, in dem die Beteiligten ihren Konflikt für die Zukunft selbst und eigenverantwortlich lösen. Dies erfolgt auf der Basis gegenseitigen Verständnisses mit Hilfe eines neutralen Vermittlers – des Mediators bzw. der Mediatorin –, der ihr Gespräch steuert und strukturiert, aber in der Sache nicht entscheidet.

Ministerpräsident und Justizminister Peter Müller betonte in seinem Grußwort die große Bedeutung, die der Mediation in verschiedenen Bereichen von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik zukomme. So habe sich etwa auch in der stark emotional geführten Kontroverse um den Bergbau im Saarland die Einsetzung eines externen Mediators bewährt, um zu einer Entemotionalisierung zu gelangen. Die von den drei Saarbrücker Gerichten pilotierte gerichtsnahe Mediation sei ein vorbildliches Projekt. Wenn es gelinge, durch die Mediation Ergebnisse zu finden, mit denen alle Beteiligten zufrieden sind, sei dies die bestmögliche Erledigung.

Der Präsident des Sozialgerichts Fischbach erläuterte die Funktionsweise des Mediationsverfahrens: In fast jedem Konflikt liege eine Lösung verborgen, die für alle Parteien akzeptabel oder sogar verlockend sein könne. Mediation sei die „Kunst“, diese Lösung zu finden. Der Mediator bediene sich spezieller Vermittlungstechniken, um die Kommunikation zu fördern und so wieder Bewegung in festgefahrene Konflikte zu bringen. Er arbeite mit den Konfliktparteien und deren Rechtsanwälten an einer einvernehmlichen Lösung und der Bereitschaft, diese auch dauerhaft zu tragen. Dazu sammele er u.a. Fakten und versuche, das Umfeld der strittigen Positionen zu beleuchten.
Dass die Justiz ein solches alternatives Verfahrensweise anbietet, stellt nach Einschätzung Fischbachs einen Paradigmenwechsel in der Justiz dar. Fischbach erklärte weiter, die Einführung der gerichtsnahen Mediation stelle keine Konkurrenz zu freiberuflichen Mediatoren dar, da die gerichtsnahe Mediation nur im Rahmen einer konkreten Rechtsstreitigkeit im angerufenen Gerichtszweig freiwillig angeboten werde.

Der Präsident des Landessozialgerichts Bender stellte die Mediation in der Sozialgerichtsbarkeit dar. Er wies darauf hin, dass in der Sozialgerichtsbarkeit eine instanzübergreifende Mediation bei Landessozialgericht und Sozialgericht praktiziert wird. Auch eine Co-Mediation (d.h. eine Mediation mit zwei Mediatoren) ist möglich. In der Sozialgerichtsbarkeit seien vor allem Streitigkeiten zwischen Behörden oder Krankenhäusern mit Krankenkassen sowie komplexe und emotional überlagerte Verfahren für die Mediation geeignet, ebenso – durchaus unter Beachtung der Gesetzesbindung der Verwaltung – Verfahren, in denen es um Ermessensbetätigung und schwierige Ursachenzusammenhänge geht.

Der Präsident des Landgerichts Freymann stellte das Mediationsverfahren in der Zivilgerichtsbarkeit dar. Freymann ist davon überzeugt, dass die Mediation der klassischen streitigen Gerichtsentscheidung in zahlreichen Fällen überlegen ist. Er erläuterte: „Das Verfahren hat sich bereits in anderen Bundesländern positiv bewährt, wobei die Erfolgsquote zwischen 70 und 80 % lag. Besonders mediationsgeeignet sind Konflikte, wenn eine einvernehmliche Lösung für beide Seiten Vorteile mit sich bringt. Dann liegt eine so genannte „win-win-Situation“ vor. Das gilt beispielsweise für Konflikte, denen eine Dauerbeziehung zugrunde liegt und bei denen es daher auch um die Gestaltung der Zukunft geht, etwa bei Streitigkeiten im Nachbarrecht, im Gesellschaftsrecht, im Mietrecht oder im Erbrecht.“

Hintergrundinformationen:

Die Vorteile der Mediation in Kürze:

  • Im Rahmen der Mediation steht mehr Zeit zur Verfügung, die Hintergründe des Konflikts und die Interessen der Beteiligten herauszuarbeiten.

  • Die Mediation legt ihren Schwerpunkt nicht auf das juristisch Relevante, sondern auf die Aspekte, die den Beteiligten wichtig sind. Von den rechtlichen Vorgaben der Prozessordnungen befreit können innovative, flexible und maßgeschneiderte Lösungen gefunden werden, die zukunftsorientiert sind. So lassen sich Regelungen finden, die beide Seiten zufrieden stellen und Bestand haben. Dies verhindert Anschlusskonflikte und schafft Rechtsfrieden.

  • Die Mediation ist nicht öffentlich und streng vertraulich.

  • Auch ein langwieriger, umfangreicher Konflikt kann kurzfristig und mit geringem Zeitaufwand mit einer rechtlich verbindlichen Vereinbarung beigelegt werden.


Besonders mediationsgeeignet sind:

  • zivilrechtliche Konflikte, denen eine Dauerbeziehung zugrunde liegt und bei denen es daher auch um die Gestaltung der Zukunft geht, z.B:


- Nachbarrecht

- Gesellschaftsrecht

- Mietrecht

- Erbrecht

- Verfahren mit familienrechtlichen Bezügen

  • im Sozialrecht insbesondere Streitigkeiten


- zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen,

- über Ansprüche nach dem SGB II (Hartz IV), v.a. bei einer emotionalen Überlagerung des Streitgegenstandes

- über Auswahl und Inhalt von Rehabilitationsleistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben

- in Fällen, in denen der Verwaltung bei ihrer Entscheidung Ermessen eingeräumt ist.

  • Konflikte, bei denen es um komplexe und kaum noch justiziable Sachverhalte geht

  • Konflikte, bei denen es letztlich um ein außerrechtliches Anliegen der Beteiligten geht (z.B. wenn der Wunsch nach Entschuldigung oder Anerkennung im Vordergrund steht)

  • Konflikte, bei denen Kommunikationsstörungen zwischen den Beteiligten der Auslöser sind