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Echolot 12: Last aus tausend Jahren

Last aus tausend Jahren
NS-Vergangenheit und demokratischer Aufbruch im Saarstaat

Was geschah nach der Stunde Null? Gab es ihn überhaupt, den sprichwörtlich gewordenen Neuanfang nach der Katastrophe von Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg, jene politisch-moralische Kehrtwende, die in Deutschland immer wieder behauptet, in den letzten Jahren aber auch immer häufiger bezweifelt wurde?

Preis: 29,80 EUR

Inhalt

Und wie vor allem war die Situation im Saarland, wo unter der Führung Frankreichs ein teilautonomer Staat entstand, der sich selbst als die demokratische und antifaschistische Antwort auf die Verbrechen der nationalsozialistischen Vergangenheit begriff?

In der neuen Publikation der Schriftenreihe „Echolot“ wird nun erstmals der Versuch unternommen, einen Überblick darüber zu geben, wie die saarländische Gesellschaft in den Nachkriegsjahren die „Last aus tausend Jahren“ tatsächlich zu bewältigen suchte. Wie sie mit rechtstaatlichen Mitteln den demokratischen Neubeginn sichern, den Opfern Gerechtigkeit gewähren und die Täter einer angemessenen Bestrafung zuführen wollte.

Die Beiträge von sechs Autorinnen und Autoren verdichten sich zu einem facettenreichen Bild der gesellschaftlichen Eliten im Saarstaat, in dem die Bilanz von demokratischem Aufbruch und Vergangenheitsbewältigung – jenseits des politischen Selbstverständnisses einer von Remigranten geführten Regierung – höchst ambivalent ausfällt. So betont Anne Gemeinhardt zum Beispiel die wichtige Rolle der „Schutzmacht“ Frankreich für die Rückwanderung der saarländischen Juden und die aktive Unterstützung saarländischer Regierungsstellen, die letztlich dafür verantwortlich zeichneten, dass ausgerechnet in Saarbrücken der erste Neubau einer Synagoge in Deutschland nach dem Krieg entstand. Hilfe und Entschädigung für die Opfer des Nationalsozialismus schlossen freilich eine milde Gangart gegenüber den Tätern nicht aus. In diesem Lichte zeigt Andreas Eichmüller in seinem Beitrag zur strafrechtlichen Ahndung von NS-Verbrechen in den Jahren 1945 bis 1955, dass saarländische Gerichte im Allgemeinen geringere Strafen als Tribunale in anderen Besatzungszonen verhängten. Auch die Kontinuitäten in der saarländischen Ärzteschaft (Gisela Tascher), die Schwierigkeiten bei der Leistung einer „echten“ Wiedergutmachung (Wilfried Busemann) oder die Probleme der Neuorientierung saarländischer Anwälte im demokratischen Rechtsstaat (Peter Wettmann-Jungblut) belegen, dass die „Last aus tausend Jahren“ viel schwerer wog, als es das Bild von der Stunde Null im Saarstaat lange Zeit suggerierte.

 

Ludwig Linsmayer/Peter Wettmann-Jungblut (Hg.)
Last aus tausend Jahren
NS-Vergangenheit und demokratischer Aufbruch im Saarstaat
(ECHOLOT. Historische Beiträge des Landesarchivs Saarbrücken, Band 12. Herausgegeben von Ludwig Linsmayer im Auftrag der Vereinigung zur Förderung des Landesarchivs Saarbrücken)
Saarbrücken 2013
Hardcover, 432 Seiten, zahlreiche Abbildungen
ISBN: 978-3-9811672-8-3
Preis: 29,80 €