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Ein erfolgreiches Crowdsourcing-Projekt im Saarländischen Landesarchiv

Zur Erschließung von Glasplatten aus dem Nachlass Julius Walter

Der Fotonachlass Julius Walter (1886-1956) befindet sich seit Ende der 1990er Jahre im Saarländischen Landesarchiv und umfasst insgesamt ca. 2400 Glasplatten, 39.000 Negative und einige wenige Alben und Abzüge. Der gebürtige Fechinger Walter war in Dudweiler von 1904 bis 1951 als Lehrer an der Volksschule tätig. In dieser Zeit nahm er an beiden Orten unzählige Fotos auf, die ein zeitgeschichtliches Dokument ersten Ranges darstellen. Walters Bilder dokumentieren nicht nur den Alltag der Menschen in ungewöhnlicher Dichte, in ihnen spiegelt sich auch die wechselvolle Geschichte des Saarlandes über zwei Weltkriege und das Dritte Reich hinweg.

Durch personelle Wechsel waren die Erschließungsarbeiten an dem Teilbestand der Glasplatten oft unterbrochen, die Verzeichnung war dementsprechend lückenhaft. Informationen waren bei der Bearbeitung fehlerhaft oder nicht vollständig erfasst worden, zudem waren bei einer folgenden Umverpackung der Glasplatten Teile der handschriftlichen Originalangaben auf den ursprünglichen Hüllen verlorengegangen. Bei der Verpackung der Glasplatten in fachgerechte Hüllen und Boxen in den Jahren 2000/01 hatte man zwar das alte Ordnungs- und Beschriftungssystem des Fotografen übernommen, die Datensätze im Archivinformationssystem hingegen nach Numerus currens angelegt. Dies machte eine grundlegende Überarbeitung und Homogenisierung der Metadaten notwendig, die in den letzten Monaten erfolgte.

Zunächst wurden alle Glasplatten gescannt, mit Dateinamen auf Basis des neuen Signaturschemas des Landesarchivs versehen, alle Verpackungen umsigniert sowie die bereits vorhandenen Datensätze überarbeitet und ergänzt. Bei der Erschließung erwies sich die Homepage der Dudweiler Geschichtswerkstatt e.V. als äußerst hilfreich. Dort fanden sich wertvolle Hinweise zur jüngeren Geschichte Dudweilers, außerdem besitzt der Verein ein eigenes umfangreiches Bildarchiv. Eine Anfrage zur Mitarbeit bei der Erschließung des Fotonachlasses wurde begeistert angenommen und schnell umgesetzt, fünf der derzeit 15 Mitglieder des Vereins arbeiteten am Erschließungsprojekt mit.

 

Die Mitglieder der Geschichtswerkstatt trafen sich in unregelmäßigen Abständen im Lesesaal des Landesarchivs an Tagen, an denen dieser für den normalen Publikumsverkehr geschlossen war. Dies ermöglichte ungestörtes Arbeiten an großen Tischen und Unterhaltungen unter den Teilnehmern. Für diese Treffen wurden zwei Bildschirme parallel angeschlossen, sodass das Digitalisat mit dem Eintrag in der Datenbank und den noch vorhandenen fragmentarischen Notizen des Fotografen verglichen werden konnte. An einem Arbeitstag wurden auf diese Weise ca. 300-500 Datenbankeinträge gesichtet, die Projektteilnehmer arbeiteten teilweise sogar in Schichten. Die Anmerkungen oder Ergänzungen zu den einzelnen Datensätzen wurden handschriftlich in Listen festgehalten. Nach jeder Sitzung erfolgte von Seiten des Landesarchivs eine Einarbeitung der Ergebnisse in die FAUST-Datenbank, wobei auf Plausibilität geachtet wurde.

Fast alle Fotografien ohne Ortsangabe konnten eindeutig lokalisiert werden, und auch die Identifizierung der abgebildeten Personen gelang in vielen Fällen. Manche der Helfer hatten bspw. Lehrer oder Pfarrer noch persönlich gekannt, zumindest waren ihnen deren Namen geläufig und falsch aufgenommene Schreibweisen wurden berichtigt. Insgesamt gewann die Qualität der Verzeichnung deutlich, so wurde „Feuerwehrübung an einem Gebäude“ zu „Feuerwehrübung an der Turmschule“. Die Partizipation der Nutzer an der Erschließungsarbeit brachte auch noch weitere Vorteile. Die nun vorhandene Informationsfülle dürften den Bedürfnissen potentieller Nutzergruppen sehr entgegenkommen.

Plakat zur Ausstellung Plakat zur Ausstellung
Foto: Saarländisches Landesarchiv

Nach Abschluss der Arbeiten soll die Geschichtswerkstatt eine PDF-Datei der verzeichneten Glasplatten erhalten, außerdem dürfen die Digitalisate der Fotografien, deren Nutzungsrechte beim Landesarchiv liegen, für Veröffentlichungen des Vereins verwendet werden. Unser großer Dank gilt den ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von der Geschichtswerkstatt für ihren ausgesprochen engagierten Einsatz!

Aus dieser Zusammenarbeit des Landesarchivs mit der Dudweiler Geschichtswerkstatt entwickelte sich zudem schnell ein neues Projekt. Das Dudweiler Freibad feiert dieses Jahr sein 100-jährige Bestehen und Julius Walter, der selbst begeisterter Sportler war, hat die Entstehung und frühen Jahre des Bades umfänglich dokumentiert. So entstanden faszinierende Aufnahmen, die nicht nur die bauliche Entwicklung des Bades festhalten, das eines der ersten in der Region war, sondern auch einen Einblick in die Alltags- und Freizeitkultur der Menschen geben. Das Freibadcafé wurde schnell Anziehungspunkt für Ausflügler und Spaziergänger, die im Sonntagsstaat von der Terrasse dem Treiben im Bad zusahen. Die Fotografien illustrieren den Wandel der Bademode vom Jersey-Einteiler der 1920er Jahre über die Badehose mit preußischem Zwickel bis zu den ersten Bikinis.

 

Gemeinsam wurde ein Ausstellungskonzept erarbeitet, das Landesarchiv gab als Kooperationspartner Hilfestellung bei der Planung und Gestaltung. Da das Freibad über keine geschlossenen Räumlichkeiten verfügt, werden die Fotos auf LKW-Planen gedruckt, die an Bauzäunen befestigt auf der Liegewiese aufgestellt werden. Die Ausstellung ist vom 6. Juli 2024 an bis zum Ende der Badesaison im Dudweiler Bad zu sehen.

Ein zweites Crowdsourcing-Projekt mit Pressefotografien von Pop- und Jazzkonzerten aus den 1980er Jahren ist derzeit in der Umsetzung.

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